Außenrum statt mittendurch

Der Münchner Marienplatz ist das Zentrum – nein, nicht der Welt aber zumindest des MVV. Diesen Eindruck kann man zumindest bekommen, wenn man von einem Ort an einem S‑Bahn-Ast zu einem Ort an einem anderem S‑Bahn-Ast will, und die Fahrplanauskunft mal wieder eine Fahrt quer durch München empfiehlt. Das ist zeitlich oft die kürzeste Verbindung, auch wenn man einige Kilometer Umweg zurücklegt.

So war das bisher. Seit dem Fahrplanwechsel im Dezember geht es auch anders. Öfter mal "außenrum statt mittendurch". Nein, München hat keinen Eisenbahn-Außenring wie Berlin, und auch die Vorschläge eines Stadtbahnnetzes mit vielen Tangentialstrecken wurden schon in den 1990er erfolgreich politisch abgeblockt. Weil neue Bahnstrecken teuer sind, ihre Realisierung sich immer länger hinzieht, und inzwischen auch manches verbaut ist, setzt der MVV stattdessen auf Buslinien. Seit dem 12. Dezember ist daher der Expressbusring um München in Betrieb.

Es stellt sich natürlich die Frage: Was bringt dieses Ringsystem? Zuerst einmal bringt es eine vernünftigen Taktfahrplan. Die Busse fahren montags bis samstags alle 20 Minuten und sonntags im Stundentakt. Das ist für viele Gebiete im MVV-Außenraum ein deutlich besseres Angebot, als das, was die Landkreise bisher auf die Beine stellen. Dass der dichte Takt über Landkreisgrenzen fortgeführt wird, ist an vielen Stellen auch etwas Neues.

Wie schneidet nun der Expressbusring im Vergleich zu den ÖPNV-Routen quer durch München ab? Deutliche Vorteile ergeben sich zumindest für Gelegenheitsnutzer beim Fahrpreis. Viele Verbindungen über den Ring liegen in einer oder zwei Tarifzonen, während via München schnell drei oder vier Tarifzonen zusammenkommen. In vielen Fällen muss man außen herum auch seltener umsteigen. Das ist nicht nur bequemer, man vermindert so auch das Risiko von Anschlussverlusten bei Verspätungen. Zudem wird man sich in den Bussen deutlich leichter tun, einen Sitzplatz zu erhalten, als in den S‑Bahnen zur Hauptverkehrszeit.

Schemaskizze Expressbusring rund um München mit Orten und Liniennummern. (Orte mit Endpunkten in kursiv; GADA = "Gewerbegebiet an der Autobahn" Bergkirchen; LBC = "Ludwig-Bölkow-Campus" Taufkirchen, ehem. Airbus; *: in Oberschleißheim umleitungsbedingt kein Halt am S-Bahnhof)

Schaut man auf die Reisezeit, so ergeben sich oft große Vorteile für die Expressbusse, teilweise ist aber weiterhin die S‑Bahn schneller. Schwieriger ist die Frage, ob in den Stoßzeiten die Stauanfälligkeit eines Bussystems im Gewühl des Autoverkehrs negativer zu bewerten ist als die bekannte Anfälligkeit der Münchner S‑Bahn für Störungen.

Die meisten Vorteile haben die Buslinien natürlich zwischen zwei Stationen, die über den Ring direkt verbunden sind. So dauert es von Dachau zum Garchinger Forschungszentrum nur 36 Minuten, während die Fahrt mit S‑Bahn und U‑Bahn über den Marienplatz 54 Minuten dauert. Andererseits ist man von Haar nach Unterschleißheim auf dem Busring fast 10 Minuten länger unterwegs als quer durch München mit einer zeitlich günstigen S‑Bahn-Verbindung. Von Fürstenfeldbruck nach Starnberg schlägt die bereits seit 2015 bestehende Linie X900 zeitlich jede Verbindung mit Umsteigen in Pasing.

Komplizierter wird es, wenn Start oder Ziel nicht direkt auf dem Expressbusring, oder nicht direkt an einer S‑Bahn-Station liegen. So erschließen die Busse die künftige tiermedizinische Fakultät in Oberschleißheim über die Haltestelle Veterinärstraße. Ab Studentenstadt ist man dorthin mit zweimal Umsteigen via Marienplatz 51 Minuten unterwegs, oder mit Bus und U2 via Frankfurter Ring und Feldmoching 40 Minuten. Steigt man in Garching-Hochbrück von der U6 in die Linie X201 um, sind es weniger als 30 Minuten. Bei den Umsteigerelationen von Zorneding ins Gewerbegebiet Garching-Hochbrück (Voithstraße), von Aying nach Aschheim oder von Dachau nach Gröbenzell ergeben sich außen herum und durch München jeweils ähnliche Fahrzeiten, bei den Expressbussen zum Teil mit weniger Umstiegen, und immer mit Vorteilen beim Fahrpreis.

Für Pendler besonders interessant ist, dass neben Hochbrück weitere Gewerbegebiete wie das GADA in Bergkirchen, das Gewerbegebiet Süd in Gilching, der Ludwig-Bölkow-Campus in Taufkirchen, das Gewerbegebiet Wolfratshausen, sowie Teile der Gewerbegebiete in Unterschleißheim und Dachau Ost über den Expressbusring direkt angebunden sind. Auch Ausflugsziele wie Kloster Fürstenfeld, die Regattaanlage bei Oberschleißheim, das ESO-Planetarium in Garching und natürlich der Starnberger See sind mit den Expressbussen erreichbar. Um die Linien auch am Wochenende besser auszulasten, könnten Halte an weiteren Freizeitzielen wie Schloss Schleißheim oder der Pupplinger Au hilfreich sein.

Eine Tabelle mit Vergleichen von Fahrzeit, Umstiegen und Fahrpreis findet man unter www.pro-bahn.de/muenchen/20211207-expressbusring.pdf. Natürlich gibt es zahlreiche Ziele abseits des Expressbusrings, die man wie bisher mit der S‑Bahn oder einer Kombination von S‑Bahn und Bus besser erreicht. Die Expressbusse verbinden einige der Umlandgemeinden mit den meisten Einwohnern und Arbeitsplätzen, sowie die relativ nah an München liegenden Kreisstädte Starnberg, Fürstenfeldbruck und Dachau. Dort, aber auch in einfachen Übereckverbindungen aus S‑Bahn und Expressbus, ist einiges an Fahrgastpotenzial vorhanden.

Letztlich ist es eine individuelle Entscheidung, ob man den Bus oder die S‑Bahn vorzieht. Beides hat Vor- und Nachteile. Wichtig ist aber, dass jede vermiedene Autofahrt ein Gewinn für die Umwelt und die Gesellschaft ist. Insofern ist zu hoffen, dass die Expressbusse nicht nur Umsteiger von der S‑Bahn gewinnen, sondern dass die neuen Fahrtmöglichkeiten auch dazu motivieren, das Auto stehenzulassen (oder noch besser: abzuschaffen).