Dieser Text basiert auf einem Artikel
für die PRO BAHN Post Oktober 2024.
Bearbeitungsstand: 12.9.2024

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Zweite Bahnsteigverbindung im Münchner Hauptbahnhof
Steg ins Nichts?

Seit langem wird in München eine weitere Bahnsteig­querung im Haupt­bahnhof diskutiert, die auch die beiden Flügel­bahnhöfe verbinden soll. Nachdem die DB das Projekt nach 2010 endgültig loswerden wollte, startete der Fahrgast­verband PRO BAHN 2015 eine Petition "Umsteigen im Münchner Haupt­bahnhof leichter machen – Bau einer zusätz­lichen Bahnsteig­verbindung". Die Petition wurde nach einem halben Jahr Laufzeit beim Bayerischen Landtag als einem der Empfänger neben der Staats­regierung eingereicht. Erfreuliches Ergebnis war, dass das Plenum des Bayerischen Landtags die bayerische Staats­regierung aufforderte, "sich im Rahmen ihrer Einfluss­möglich­keiten weiterhin dafür einzusetzen, dass die Flügel­bahnhöfe des Münchner Haupt­bahnhofs unverzüg­lich durch eine Bahnsteig­querung miteinander und mit der Haupthalle verbunden werden". Auch vom bayerischen Verkehrs­ministerium erfolgte eine positive Stellung­nahme, die dazu führte, dass der Freistaat Bayern 2016 erklärte, die Kosten für Vor­planungen der DB zu übernehmen. Die Beauf­tragung für diese Vor­planungen erfolgte allerdings erst 2019, deren Ausführung ab 2023.

Der sowieso schon zähe Fortschritt des Projekts ist ins Stocken gekommen. Die DB treibt den Bau eines neuen Bahnhofs­gebäudes zwar voran, was aber zunächst dazu führt, dass die Reisenden im Münchner Haupt­bahnhof viele Jahre durch eine Baustellen­landschaft mit Umwegen, Engpässen und weiteren Erschwer­nissen irren. Als bekannt wurde, dass die Bauarbeiten zur zweiten S-Bahn-Stamm­strecke sich bis Ende des nächsten Jahrzehnts hinziehen sollen, war klar, dass damit auch der Terminplan für den Haupt­bahnhof in die Länge gezogen wird. Welche Termine konkret beabsichtigt sind, veröf­fent­licht die DB nicht mehr. Auf den Webseiten zum Neubau des Haupt­bahnhofs ist zu lesen, dass sich das Projekt einer weiteren Bahnsteig­verbindung weiterhin "in einer frühen Planungs­phase" befindet.

Da es sich um einen Fernbahnhof handelt, wurde die zweite Bahnsteig­querung als Projekt des Bundes in die Bedarfs­planung zum Deutsch­land­takt aufgenommen. Das klingt positiv und ist sachlich auch richtig, da eine Verkürzung von Umsteige­wegen die Fahr­plan­gestaltung beein­flussen kann. Real bedeutet es aber auch, dass die DB mit dem Projekt umgehen kann, wie sie will, da der Bund seit Jahr­zehnten eine effektive Kontrolle und Steuerung des DB-Konzerns vermeidet. Der Eindruck, dass eine neue Bahnsteig­verbindung bei den Leuten der DB, die über die Bahnhofs­gestaltung entscheiden, nicht sonderlich beliebt ist, zieht sich allerdings durch die ganze Entwicklung des Projekts.

mehrere Menschen stehen in einer Schlange, teilweise mit Gepäck, im Hintergrund Eingang mit Aufschrift "Reisezentrum" darüber Anzeigmonitore für Zugabfahrten, einer mit Aufschrift "Bitte Aushangfahrplan beachten",auf der Wand dahinter Werbung für 2 Stammstrecke und Neubau Empfangsgebäde des Hauptbahnhofs und Starnberger Flügelbahnhof
Schlange am sogenannten Reise­zentrum in den Resten des Münchner Haupt­bahnhofs

2024 hat die Baustellen­situation am Münchner Haupt­bahnhof einen neuen Tiefpunkt für die Fahr­gäste erreicht. Einbauten auf dem Quer­bahnsteig, erschwerter Zugang zu Bahnsteigen, Verlegung weiterer Ein- und Ausgänge, viel zu kleines Ersatz­reise­zentrum usw. führen zu kaum mehr hinnehmbaren Beeinträch­tigungen und machen das pünktliche Erreichen von Zügen sowie das Umsteigen noch einmal schwieriger. Für 2026 ist ein sogenanntes Interims-Bahnhofs­gebäude versprochen.

Was wäre, wenn es all die Wider­stände bei der DB gegen das Projekt der zweiten Bahnsteig­verbindung nicht gäbe? Was wäre, wenn die Umsetzung von Bürger­willen und politischem Willen durch die DB weniger kompliziert wäre? Was wäre, wenn die DB die voraus­sehbaren Schwierig­keiten beim Umbau des Haupt­bahnhofs zum Anlass genommen hätte, um zu sagen: "Um möglichst wenig Engpässe bei der Wege­führung zu haben, bauen wir als Erstes am Hallenende eine Zusatz­verbindung zwischen den Bahn­steigen."? Das ist eigentlich das, was Reisende erwartet hätten. Der Bau eines solchen Stegs hätte natürlich die Aufnahme anderer Bauarbeiten etwas verzögert. Angesichts der Verzöge­rungen bei der zweiten Stamm­strecke ist das aber wohl wenig relevant bis absolut marginal. Verbunden mit einem – provisorisch – ausgebautem Zugang im Bereich des Gebäudes des Starnberger Flügel­bahnhofs hätte man so eine deutlich bessere Bausituation schaffen können, als wir sie heute vorfinden.

All dies ist nicht passiert. Ob die DB irgendwann ein Einsehen hat, weiß man nicht. Ideal wäre, wenn die Realisierung der zusätz­lichen Verbindung noch in diesem Jahrzehnt zustande käme. Realis­tischer ist leider ein Termin nach 2030. Dass die DB per Petition und bayerischem Landtag quasi gezwungen werden muss, überhaupt auf lange bestehende Fahrgast­wünsche zu reagieren, und dass es bei einem eher über­schau­baren Projekt bis zu 20 Jahre dauert, bevor die DB den erklärten politischen Willen umsetzt, ist eine Schande. Vielleicht dauert es auch noch länger, oder vielleicht schafft es die DB sogar, mit weiteren Verzö­gerungen und ein paar Kosten­steigerungen den Sankt-Nimmerleins-Tag zu erreichen. Angesichts des Zustands des Bahn­konzerns und der dortigen Beharrungs­kräfte ist jede zeitliche Prognose ein Glücksspiel. Hoffen wir, dass am Ende kein "Steg ins Nichts" herauskommt.

Edmund Lauterbach

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