Perfekt und librettogetreu interpretierter »Hoffmann« in Cottbus

www.staatstheater-cottbus.de

Besuchte Vorstellung 27. Oktober 2012 (Premiere)






Regie


Martin Schüler (auch Intendant)

Dirigent


Evan Christ

Chorleitung


Christian Möbius

Bühnenbild


Hans-Holger Schmidt

Kostüme


Jessica Karge

Version


Oeser

Sprache


Deutsch mit gesungenen Dialogen




Hoffmann


Jens Klaus Wilde

Muse


Marlene Lichtenberg

Olympia


Debra Stanley

Antonia


Cornelia Zink

Giulietta


Gesine Forberger

Widersacher


Andreas Jäpel








Fazit: Eine schnörkellose Inszenierung ohne avantgardistischen Anspruch, dafür ein »Hoffmann«, wie man ihn sich zu sehen wünscht. Klar in der Erzählung von Hoffmanns Abenteuern in der Fantasiewelt, mit einfühlsamem Verständnis für Hoffmanns menschliche Schwächen und mit richtig verstandener Botschaft dieser Oper, erfreulich frei von Bizarrerien und aufgesetzten werksfremden Gags. Dazu ein eindrucksvolles Bühnenbild, das beispielhaft ist. Stimmlich alles bestens, einfühlsam begleitet von einem Orchester, das perfekten Klang bot. Besonders zu loben sind die klare und deutliche Aussprache der Sänger, sowie die ausgefeilte Schauspielkunst. Wieder einmal hat die sogenannte Provinz den sogenannten Ersten Adressen in den Metropolen gezeigt, wie man gutes Musiktheater macht.


Nachdem sich 2013 die Geburtstage von Richard Wagner und Giuseppe Verdi zum zweihundertsten Male jähren, wird in dieser Saison viel gewagnert und geschlagert, und nur wenige »Hoffmänner« stehen auf den europäischen Spielplänen. Deswegen begann meine »Hoffmann«-Spielzeit 2012/13 auch ziemlich spät, und umso dankbarer bin ich den Theatern, die sich neben den beiden Operntitanen auch noch an Jacques Offenbach erinnern.




Ich freue mich immer wieder, wenn ich durch einen »Hoffmann« eine Stadt kennenlerne. Obwohl ich dutzende Male in Dresden war, kam ich nie nach Cottbus. Endlich habe ich diese hübsche Stadt in der Niederlausitz, unweit der Grenze zu Polen kennengelernt.


Das Staatstheater Cottbus liegt am Rande der Innenstadt und fällt einem sofort ins Auge. Ein märchenhafter Jugendstil-Bau mit Art-Déco-Elementen, wie ihn Ludwig II. hätte bauen lassen können, hätte man ihn nicht 41jährig aus seinem Amt gemobbt und sterben lassen. Dieser Theaterkomplex, 1908 eingeweiht, ist wohl der unverwechselbarste Musentempel, den ich je gesehen habe. Er steht frei auf einem großen Platz, und ich ging erst einmal staunend um ihn herum. Ein Privileg, in so einem exquisiten Bau arbeiten und zuschauen zu dürfen. Das Theater wird gemeinsam von der Stadt Cottbus und dem Land Brandenburg betrieben.


Pünktlich eine Stunde vor Beginn öffneten die Türen, und mein Staunen setzte sich im Inneren fort. Auch das altersmäßig gut durchmischte Publikum fiel mir auf. Wie ich erfuhr betreibt das Theater durch Einbindung von Schülern in Inszenierungen gezielte – und wie man sieht erfolgreiche - Öffentlichkeitsarbeit.




Der kurze und breite Zuschauerraum ist mit zahlreichen Ornamenten geschmückt und bietet gut 600 Gästen Platz. Im Orchestergraben zählte ich vier Kontrabässe und sechs Celli, was bemerkenswert für ein verhältnismäßig kleines Theater ist.


Die Premiere war weitgehend ausverkauft. Die wenigen freien Plätze gingen wohl auf das Konto des Wintereinbruchs in der Region.


Pünktlichst um halb acht ging das Licht aus, und der Vorhang glitt auf. Dann erklangen die schnellst durchgehetzten Auftaktakkorde, die ich je gehört hatte. Grrrässsslich. Wäre ich nicht fast 600 km weit angereist, hätte ich das Theater fluchtartig unter Protest verlassen und einen Schnaps hinuntergekippt. Doch erfreulicherweise dauerte dieser Horror nur wenige Sekunden, presto statt maestoso.



Durch eine meditative Entspannungsübung gelang es mir, mich wieder zu beruhigen. Was ich fortan aus dem Orchestergraben hörte, war dagegen zu meinem allerhöchsten Wohlgefallen. Das Philharmonische Orchester von Cottbus gehört, was Klang, Präzision und Dynamik angeht, zu den besten, die ich je gehört habe.


Lutter und Hoffmann


Während meine Ohren noch von den Auftaktakkorden klirrten, wurde mein Auge von einem beispielhaft schönen Bühnenbild erfreut. Wir befanden uns in einem eleganten Gourmetrestaurant mit Lutter als Sterne-Wirt. Ein hoher, in Blau gehaltener Raum mit klar gegliederten Strukturen. Halblautes „sehr schön“ erklang aus mehreren Damenkehlen um mich herum angesichts des Bühnebildes. Dem konnte ich mich nur anschließen. Blau war dir vorherrschende Farbe in dieser Inszenierung, ein für diese Oper passender Ton, wie ich finde.

Lutters Taverne war ein elegantes Lokal, das die Aura eines Sterne-Gourmet-Lokals ausstrahlte. Die Beziehung zur Welt des Theaters stellte ein klassisches Theater mit Portikus her, das auf den Hintergrund projiziert wurde. Die Muse trat auf und schien sich in diesem Ambiente wohlzufühlen. Mit schöner, seelenvoller Mezzo-Stimme, die ein angenehmes Alt-Timbre aufwies, stellte sie sich souverän vor.



Stellas Briefbote war als Hotelpage gekleidet und wurde von Lindorf verfolgt. Der Diebstahl des Briefes wurde pantomimisch gut dargestellt. Lindorf zerriss dann Stellas Brief, nachdem er ihn gelesenen hatte und warf ihn weg. Doch die Muse hob ihn auf und war fortan eingeweiht. Ein interessantes Detail, das ich noch nicht gesehen hatte.



Hoffmanns Freunde traten als Corpsstudenten auf, die ein lebhaftes Säbelballett aufführten. Hoffmann wurde freudig von ihnen begrüßt. Die Muse wurde zu Niklaus und trug auch ein Studentenkäppi. Der Männerchor sang schön und war hervorragend und detailreich choreografiert.


Hoffmann, Niklaus und Coppelius


Dann kam Hoffmanns Klein-Zach, mimisch spektakulär vom Chor begleitet. Den Übergang zu Stella bekam er gut hin, und das Orchester schwenkte von Frech-Komödiantisch zu Romantisch-Schwelgerisch. Und dann gab es den ersten Szenenapplaus des Abends.


Die anschließenden Trinklieder wurden orgiastisch, beinahe tumultartig gesungen und dynamisch vom Ochester begleitet. Meerschaumpfeifen (wie in München) machten die Runde, als Hoffmann die Geschichten seiner drei Lieben ankündigte.


Eine veritable Feuerzangenbowle wurde hereingebracht, als das Vorspiel nach vorbildlich kurzen fünfundzwanzig Minuten endete. Verklärt blickte Hoffmann durch den bläulichen Gazevorhang, hinter dem sich die Olympia schon zeigte. Blitzschnell war die Bühne umgebaut. Sowas erlebt man selten. Kompliment. Auf einem Tisch stand eine Wimshurstmaschine zur Erzeugung statischer Elektrizität, die aber nicht zum Einsatz kam.


Olympia stand stocksteif wie eine Statue auf einem Podest mit einer Rotschopffrisur à la Pippi Långstrump. Eine Zeit lang meinte ich, sie sei tatsächlich eine Plastik, so still stand sie. Niklaus kaufte dem Coppelius die Brille für Hoffmann ab. Wunderschöne Farbkontraste beherrschten das Bühnenbild.


Hoffmann und Olympia


Spalanzanis Festgäste waren elegant gekleidet. Nur ein - zwei Sekunden waren Chor und Orchester nicht ganz im Takt, dann passte alles wieder. Verzeihlich bei einer Premiere. Ein voller, warmer Querflötenton leitete die Arie der Olympia ein.


Mit heller, klarer Stimme lieferte Olympia eine präzise Koloraturarie und begleitete die mit ausgefeilter Mimik. Spalanzani war so gerührt von der perfekten Vorstellung seiner Tochter, dass er sich die Augen wischen musste. Dies nur als Beispiel für die vielen werkskonformen Details, welche diese Inszenierungen auszeichnen. Statt aufgesetzter werksfremder Gags sah man in Cottbus eine von innen heraus verstandene perfekte Inszenierung.


Spalanzani demonstrierte auch Olympias hausfrauliche Qualitäten, als er sie im zweiten Teil ihrer Arie im Takt zu ihrem Gesang einen Rock bügeln ließ. Freundlicher Applaus belohnte Olympias gelungenen Auftritt.


Nach ihrem Auftritt wurde Olympia neu aufgezogen, geölt und für die Zweisamkeit mit Hoffmann vorbereitet. Dazu schickte Spalanzani den Niklaus von der Bühne. Wieder so ein nettes kleines Detail, das diese Inszenierung so sympathisch machte.


Dann kam der betrogene Coppelius herein und zog ein furchterregendes Scharfrichterbeil aus seinem Mantel, mit dem er Rache ankündigte. Nach Hoffmanns Tête-à-tête mit Olympia wurde diese zerstört, und der verzweifelte Hoffmann kräftig verlacht. Freundlicher Applaus und Pause, die eher kurz war, obwohl es nur eine gab.


Hoffmann und Antonia


Hoffmann und Niklaus


Wunderschöne Farbtöne beherrschten das Bühnenbild des Antonia-Aktes. Vorne stand der verzweifelte Hoffmann; hinter einem Gazevorhang kündigte sich die Welt der Antonia an. Wiederum erfreute ein klar gegliedertes Bühnenbild in wohltuenden Farben.


In Antonias Zimmer symbolisierte ein großer weißer Flügel deren Welt, rechts vorne ein Schminktisch. Links in einem Glaskasten stand eine Puppe mit dem Bühnenkleid, das die Mutter später tragen sollte. Eindrucksvoll erklangen die tragischen Auftaktsakkorde. Sicher in den Höhen und mit dramatischer Stimme stellte sich Antonia vor. Dann folgte ein trotteliger Franz mit seinem Auftritt in einer weißen Strumpfhose, in dem er auch eine Balltetteinlage zur Erheiterung des weiblichen und eines Teils des männlichen Publikums gab, wie spitze Schreie des Entzückens verrieten. Das war wieder einmal lustig. Er bekam zwei Mal Applaus und Jubel am Schluss.


Mich erfreute die seelenvoll gesungene Geigenarie des Niklaus, die an so vielen Theatern schnöde gestrichen wird. Die wurde verdient beklatscht. Eine lebhafte, kapriziöse Antonia sang wunderschöne Duette mit Hoffmann, die verdienten Applaus bekamen. Antonia wurde als eigensinniges, auf ihre Karriere fixiertes junges Mädchen präsentiert.


Mirakel stellte sich gleich passend vor: Er brachte einen Kindersarg herein, aus dem es geheimnisvoll rauchte. Er hatte auch einen ferngesteuerten weißen Stuhl unter seiner Kontrolle, auf dem er dann Antonias virtuelle Diagnose anstellte. Krespel wollte den falschen Arzt mit einem Möbelstück erschlagen, doch mit einer bloßen Geste streckte Mirakel den Vater nieder.


Ein schönes Terzett Hoffmann – Mirakel – Krespel erklang, dramatisch begleitet vom Orchester. Als Mirakel zu Antonia kam, um sie zum Singen zu verleiten, gingen die Glühbbirnen um den Schminkspiegel an, und ein perfektes Double Mirakels erschien in demselben. Dazu erklang die geisterhaft verhallte Stimme Mirakels aus den Kulissen.


Dann erwachte Antonias Mutter im Glaskasten. Zum Terzett Mutter – Antonia – Mirakel erschienen im Hintergrund sich geisterhaft bewegende weiße Gestalten und drängten nach vorne. Wiederum ein schönes Bild: Antonia stand euphorisch singend auf dem Flügel, blau angestrahlt, in Grün sang die Mutter. Dann riss ihr Krespel höhnisch das weiße Bühnenkleid vom Leib. Symbol für das Ende ihrer kurzen Karriere.


Krespel wollte Hoffmann wegen des Todes seiner Tochter erstechen, doch Niklaus rettete ihn. Der verzweifelte Krespel zerschlug eine Geige.




Giulietta und Hoffmann


Fliegender Wechsel zum Giulietta-Akt. Während der verzweifelte Hoffmann eine von Niklaus überreichte Schnapsflasche leerte, erklang die Barkarole, ohne Piccoloflöte, wie es sich gehört. Ein riesiges Wellenmeer füllte den Bühnenrahmen, Venedig ankündigend.


Niklaus und Giulietta sangen die Barkarole von links und rechts in die Ohren Hoffmanns, auch eine neue Konstellation und gut erdacht. Seeleute in weißen Uniformen wurden von leichtgeschürzten Damen unterhalten. Der Hauptmann Dapertutto kam als Kapitän in schneeweißer Uniform und erinnerte mich irgendwie an Commandante Schettino von der Costa Concordia.


Doch Dapertutto kommandierte zum Glück nur eine venezianische Gondel und sang die Spiegelarie, die wie immer gut ankam. Dazu waren drei riesige Spiegel hereingefahren worden.


Giulietta war eine zynische und knallharte Kurtisane und sang mit hochdramatischer Stimme. Besonders gefiel mir ihr Klagelied. Als sie Hoffmann zu sich einlud, bedauerte der, „Ich kann mir Sie nicht leisten“, und kehrte seine Hosentaschen nach außen. Mehrere schöne Duette Hoffmann – Giulietta folgten, die man gerne wieder hört.


Dapertutto und Giulietta


Der Verlust seines Spiegelbildes wurde dadurch symbolisiert, dass er eine bronzene Gesichtsmaske aufgesetzt bekam. Auch Schlemihl hatte vorher eine solche getragen, denn er hatte ja seinen Schatten verloren.


Dann gab es richtiges Degenduell, während dessen Schlemihl aus dem Hinterhalt erschossen wurde. Doch Hoffmann konnte den eroberten Schlüssel zu Giuliettas Gemach nicht genießen. In einer Gondel glitten Dapertutto, Pitichinaccio und Giulietta davon. Letztere war nun zur hässlichen Frau mit Glatze geworden.


Ein unvergesslich eindrucksvolles Bild wurde geschaffen, als die Bühne in blauem Nebel waberte, durch den weiße Gestalten mit den Lichtkegeln ihrer Taschenlampen nach dem Mörder suchten. Hoffmann lag besinnungslos vorne auf der Bühne, und die Gestalten näherten sich ihm.



Nahtlos ging der Giulietta-Akt in das Finale über. So wurde die Beklemmung über Hoffmanns gescheiterte Lieben umso intensiver erlebbar. Stella erschien und erblickte den torkelnden Hoffmann, der sie schnöde beleidigte. Dieser trunkene Hoffmann wurde sehr überzeugend gespielt. Grausam brachte er den Klein-Zach zu Ende, während Lutter in seinem nun ziemlich derangierten Gourmettempel zufrieden sein Geld zählte.



Dann erweckte die Muse mit beeindruckendem Gesang Hoffmann wieder zum Leben. Ein ergreifender Moment entstand, als der Chor nach dem Abgesang der Muse pianissimo einsetzte und der Bühnenhintergrund zu einem riesigen Sternenhimmel wurde. Vor dem senkte sich wieder das klassisch-griechische, tempelähnliche Theater herab. Im Vordergrund stand die Muse und hielt ein Buch mit Hoffmanns Erzählungen am Herzen. Dieses Finale konnte niemanden kalt lassen.

Alle Rechte an den obigen Szenenfotos liegen beim Staatstheater Cottbus und der Fotografin Marlies Kross. Wir danken für die freundliche Zusammenarbeit.


Laute Bravo-Rufe mischten sich in die letzten Töne. Dann gab es einen acht Minuten langen Applaus für das Ensemble und natürlich Jubel für alle Hauptdarsteller. Wie in den Ländern des ehemaligen Ostblocks heute noch üblich, bekamen alle Hauptpersonen Blumensträuße, die ein geschickter Werfer aus der ersten Reihe abfeuerte. Auch das Regieteam wurde beklatscht. Leider ging plötzlich der Vorhang nicht mehr auf, wobei ich das Gefühl hatte, dass die Zuschauer gerne noch ein paar Minuten weiterapplaudiert hätten.

Kritik an der Kritik

Die Cottbuser Zeitung, die Lausitzer Rundschau, veröffentlichte eine Kritik dieser Inszenierung, der ich in weiten Teilen nicht zustimmen kann. Abgesehen von einigen sachlichen Fehlern ist sie viel zu negativ und erwähnt nicht die vielen positiven Seiten dieser Inszenierung, wie z.B. die ausgefeilte Schauspielkunst. Meine Kritik an dieser Kritik hänge ich unten nach den Bildern der Premierenfeier an.



Löblicherweise hatte das Theater seine Mitwirkenden und das hochverehrte Publikum zur Premierenfeier in einem Kellerraum geladen. Dort gab es Bier, Wein und Häppchen. Ich konnte viele interessante Gespräche führen. Unter anderem sagte mir der Intendant und Regisseur des Abends, Martin Schüler, dass für ihn »Hoffmanns Erzählungen« die „Oper der Opern“ sei. Dieser Ansicht will ich nicht widersprechen. Sie findet sich in meiner Seite Stimmen zu dieser Oper. Der amerikanische Dirigent und GMD Evan Christ nahm meine Kritik an seinen durchgehetzten Auftakten mit Humor. Schließlich hatte ich nur an den ersten Sekunden seines Dirigats etwas auszusetzen. Mit Marlene Lichtenberg, der überzeugenden Interpretin der Muse, lernte ich die erste Sängerin aus dem schönen Südtirol kennen, das immer noch von Italien besetzt ist.

Nachdem sich meine Rückfahrgelegenheit nach Dresden nicht ergeben hatte und der letzte Zug abgefahren war, stand ich um zwei Uhr morgens ohne Hotelzimmer da. Die Hotels in der Nähe waren schon dunkel bzw. die Rezeptionen geschlossen. Doch ein freundlicher Cottbuser zeigte mir den Weg zu einem Hotel, das knapp 10 Minuten Fußmarsch vom Theater lag. Es war noch offen und erwies sich als Glücksgriff. Ruhig, elegant, stilvoll, komfofortabel und bezahlbar. Den Dorotheenhof kann ich nur weiterempfehlen. Dank der Umstellung auf Winterzeit in jener Nacht konnte ich sogar eine Sunde länger schlafen und von diesem schönen »Hoffmann« träumen.








Muse



Olympia



Regisseur und Intendant mit Theaternachwuchs



Antonia



Giulietta






Kritik an der Kritik der Lausitzer Rundschau vom 29.10. 2012

Zuerst mal das Sachliche: E.T.A. Hoffmann wurde nicht in Frankreich, sondern in Deutschland als Gespenster-Hoffmann tituliert.
http://www.zeit.de/1964/38/der-sogenannte-gespenster-hoffmann

und


http://www.peterlang.com/index.cfm?event=cmp.ccc.seitenstruktur.detailseiten&seitentyp=produkt&pk=21173


In Frankreich war E.T.A. Hoffmann deutlich erfolgreicher als in Deutschland. Doch selbst wenn er von manchen wie Goethe primär als Gespenster-Hoffmann gesehen wurde, hat er doch eine Aufgabe damit erfüllt, das Gespenstische in die Psyche des Menschen selbst gelegt und Gespenster nicht als externe Wesen dargestellt zu haben. Bei Hoffmann und in dieser Oper kommen keine Gespenster vor, sondern dämonische Seiten des Menschen werden in den Vordergrund gerückt. So wurde E.T.A. zu einem Vorläufer der Psychologie des Unbewussten, und nicht umsonst beschäftigte sich Sigmund Freud mit ihm. (Sigmund Freud, Das Unheimliche) Auch ein Olympier wie Goethe kann mal daneben liegen.

Genau genommen war nur Jules Barbier Librettist der Oper, denn Michel Carré war leider zu früh verstorben. Doch er hat natürlich zusammen mit Barbier das dem Libretto zu Grunde liegende Schauspiel verfasst.

Der Opern-Hoffmann wartet gerade nicht darauf, sich mit Stella zu treffen, denn er weiß nicht, dass sie ihm einen versöhnlichen Brief geschickt hat, der dann von seinem Rivalen Lindorf abgefangen wird. Hoffmann leidet darunter, dass ihn Stella verlassen hat.

Dass eine Sängerin, die die Donna Anna im Don Giovanni gibt, in der Opernpause in
eine Kneipe geht, ist wohl etwas absurd, denn sie muss ja im zweiten Akt wieder auf der Bühne stehen.

Martin Schüler hat es gerade nicht angestrebt, aus der Oper blanke Gespenster-geschichten zu machen und viel Theaterzauber auf die Bühne gestellt zu haben, sondern er hat die Figuren lebensnah gezeichnet, so dass man sich mit ihnen identifizieren kann. Das Grauen ist in uns selbst, die Hölle sind wir selber.

Den Harry-Potter-Vergleich finde ich abwegig. Gezaubert wird im Cottbuser Theater überhaupt nicht. Wer nicht erkennt, dass diese Oper hauptsächlich Allzumenschliches präsentiert, hat sie nicht verstanden. Und diese nur leicht überzeichneten menschlichen Schwächen bewirken ihren Erfolg und ihre Beliebtheit.

Jens Klaus Wilde hat seine Aufgabe gut erfüllt. Dass er insgesamt zwei Mal in einer langen Rolle - er steht praktisch dauernd auf der Bühne - zu Falsetttönen greifen musste, verdient angesicht der guten Gesamtleistung keine Erwähnung. Wer einem Sänger in einer Premiere nicht einmal ein Fünkchen Nervosität zubilligt, hat keine Ahnung von Bühnen-
und Künstlerwirklichkeit. Noch dazu waren diese zwei winzigen Unsicherheiten am Anfang zu hören.

Weltstars wie Alfredo Kraus und Nicolai Gedda und deren Tonkonserven hier zum Vergleich anzuführen halte ich für deplaziert. Mir gefallen z.B. die zwar perfekt und wunderschön gesungenen aber öligen und jovialen Hoffmann-Interpretationen des
Alfredo Kraus überhaupt nicht. Die Figur des Hoffmann sollte nicht als die eines eleganten Bonvivants à la Graf Danilo, sondern als die eines zutiefst unglücklichen und innerlich zerrissenen Glückssuchers gesehen werden. Und das hat Jens Klaus Wilde bravourös getan.

Wenn man jedes Theater an den absoluten Jahrhundert-Weltstars wie Alfredo Kraus und Nicolai Gedda misst, kann man gleich alle Opernhäuser abseits der Metropolen zusperren. Doch gerade die gehören oft zur interpretatorischen Elite. Ich wünschte mir, die Münchner Staatsoper hätte in der Spielzeit 2011/2012 einen ebenso gelungen inszenierten »Hoffmann« wie den des Cottbuser Theaters auf die Bühne gestellt. Wenn man zusehen musste, wie die bedauernswerten Weltstars Rolando Villazón und Diana Damrau nach läppischen und banalen Regievorgaben agierten, konnte man sich nur in ein Theater wie das Cottbuser mit einer klaren und dichten Regiearbeit wie der Martin Schülers wünschen.

Ebenso abwegig ist es, Marlene Lichtenbergs Auftritt als
extrem nervös zu bezeichnen. Jede Muse ist etwas nervös, wenn sie - noch dazu als Rollendebütantin - die Oper eröffnen muss. Bei Premieren habe ich schon wesentlich nervösere Auftritte erlebt. Die seelenvolle Interpretation dieser Rolle durch Marlene Lichtenberg hat mir gutgetan.

Eine Erinnerung an die Reszensentin: Auf dieser Bühne und in dieser Inszenierung standen Menschen, und in dieser Oper werden menschliche Schwächen thematisiert. Die machen diese Oper liebenswert und seit 1881 immer wieder zu einem Erfolg beim Publikum.

Richtig ist, dass das Böse, verkörpert durch Lindorf/Coppelius/Mirakel/Dapertutto immer gewinnt. Ob aber Lindorf mit der vermutlich zickigen Diva Stella glücklich wird, darf angezweifelt werden. In der Oper
wird am End leider immer abjeblendt. Ich blende diese Kritik an Martin Schülers Inszenierung weitgehend aus und behalte die Cottbuser Hoffmann-Premiere in bester Erinnerung. Ich hoffe, diese Inszenierung noch einmal sehen zu können und empfehle sie allen Offenbach- und Hoffmann-Freunden.

Lieber eine gute Oper und eine nicht so gute Kritik als umgekehrt.





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