Dieser Text basiert auf einem Artikel für die PRO BAHN Post 7/1999. Er wurde im Juni 1999 als Vorabveröffentlichung ins Web gestellt (die Fotos folgten im August 1999).

Fotos von der Bergbahn-Tour 1999 gibt es seit Dezember 2021 auch auf Instagram.


 
 

Ein Pfingstausflug

Welche Bahnstrecke hat eine Spurweite von 1,80 Meter? Wo ist es technisch möglich, normalspurige Eisenbahnwagen neigungsfrei über eine Steigung von 23,9 Prozent zu transportieren? Wo existiert ein Inselbetrieb mit elektrischen Triebwagen auf einer Strecke von nur 2,6 Kilometern Länge?

Und das alles in Deutschland? Ja. Und zwar in Thüringen. Und sogar betrieben von der Deutschen Bahn AG. Gemeint ist die Oberweißbacher Bergbahn, zu der einige PRO BAHNer an Pfingsten einen mehrtägigen Ausflug unternahmen.

Der größte Teil der Gruppe hatte die Hinfahrt mit SWT geplant, ein kleinerer Teil mußte beruflich bedingt am Samstagabend mit IC nachreisen. Leider war die SWT-Gruppe ab München dann zunächst kleiner als geplant, da Teile des oberbayerischen Bahnnetzes durch Hochwasser unterbrochen waren. Bis Nürnberg ging es daher dreigeteilt.

Ab dort dann wie geplant weiter mit SWT über Lichtenfels, Saalfeld und Rottenbach nach Obstfelderschmiede. So idyllisch wie der Name klingt, liegt auch der Bahnhof: Mitten im Grünen, zwischen dem Flüßchen Schwarza und den Hängen des Thüringer Waldes. Diese Hänge hinauf und hinab bewegen sich hier zwei recht unterschiedliche Fahrzeuge.

Bergbahnwagen
 
  Aufgebockt!
Die sogenannte Steilstrecke der Oberweißbacher Bergbahn verdankt ihre Existenz unter anderem der Forderung, Gütertransporte zu den Orten auf dem Hochplateau durchführen zu können. Deshalb verfügt die Bergbahn neben einem Personenwagen, dessen Innenraum, wie bei Standseilbahnen üblich, die Streckenneigung ausgleicht, auch über einen Wagen mit einer sogenannten Güterbühne, die ursprünglich zum Transport normalspuriger Güterwaggons verwendet wurde.

Güterverkehr wird heute dort nicht mehr durchgeführt, der Personenverkehr nahm zu. Die Konsequenz: Auf der Güterbühne fährt heute ein Personenwagen mit, der allerdings genau für diesen Zweck umgebaut wurde und nicht zu Fahrten auf normalspurigen Gleisen verwendet wird. Bei besonderen Feierlichkeiten wird allerdings auch heute noch das Auf- und Abfahren auf den Bühnenwagen vorgeführt. Die notwendigen Einrichtungen sind an Tal- und Bergstationen vorhanden. Dazu zählen beispielsweise kleine Drehscheiben und – wohl bei Standseilbahnen eher selten anzutreffen – eine dritte „Abtsche Ausweiche". Diesen speziellen Weichentyp ohne bewegliche Teile findet man bei eingleisigen Standseilbahnen ansonsten nur an der Ausweichstelle in der Streckenmitte.

Soviel zur Technik von Steilstrecke und Verladeeinrichtung. Nachdem unsere Reisegruppe diese zum Bahncard-Preis von 3,80 DM pro Person überwunden hatte (SWT gilt nicht), wurde in Lichtenhain zunächst das Hotel „Zur Bergbahn" bezogen. Da im bezahlten Bergbahn-Preis die sogenannte Flachstrecke inbegriffen war, mußte diese natürlich noch am gleichen Abend bereist werden. So ging es in gemütlichem Tempo mit zwei Triebwagen, die von Ambiente und Türmechanik an die alten Berliner S-Bahn-Wagen erinnern, von Lichtenhain nach Cursdorf.

Nach kurzer Einkehr fuhren wir wegen des wenig wanderfreundlichen Wetters die 2,6 Kilometer auch wieder zurück. Der Bahncard-Preis für die Flachstrecke ist mit 1,20 DM auch recht erschwinglich. Der Abend klang nach Eintreffen des Restes der Reisegruppe in unserem Hotel aus.

Der zweite Tag war dann – auch dank des besser werdenden Wetters – etwas weniger dem Bahnfahren und mehr dem Zufußgehen gewidmet. So ging es dann zunächst sehr fotografierintensiv entlang der Flachstrecke bis zur Zwischenstation Oberweißbach. Dieses Städtchen rühmt sich zum einem seiner Glas- und Lampenindustrie und zum anderen der Tatsache, Geburtsort eines gewissen Herrn Fröbel, dem Erfinder des Kindergartens zu sein. Von der Bahnstation ging es zunächst besichtigenderweise durch den Ort hinab. Dann hinauf zum Fröbelturm mit einem schönen Rundblick über die Landschaft.

Nach Mittagseinkehr in der Turmgastätte ging es bergab nach Cursdorf und wieder bergauf zur Meuselbacher Kuppe. An Meuselbach vorbei klettern wir nun endgültig hinunter ins Schwarzatal. Zwei Stationen weit, von Meuselbach-Schwarzmühle bis Obstfelderschmiede, beförderte uns ein VT 628. Nun stand natürlich wieder Bergbahnfahren an; diesmal mit dem aufgebockten Personenwagen.

Da noch nicht alle Teilnehmer die Flachstrecke gefahren waren, ging es oben weiter nach Cursdorf. Der Rückweg nach Lichtenhain erfolgte teils zu Fuß, teils mit der Bahn. Als dritte Spurweite hat Lichtenhain noch eine Feldbahnstrecke zu bieten, an der sich die Gruppe dann zur Besichtigung einfand. Nach einem Spaziergang in der Abendsonne folgte – auch mangels Alternativen – wieder der Tagesausklang im Hotel.

Die Heimreise unserer Gruppe erfolgte zweigeteilt. Nachdem ausgerechnet am Abreisetag die Feldbahn in Betrieb war, mußte diesem Ereignis noch einmal Aufmerksamkeit gewidmet werden. Kurz vor Mittag ging es dann aber los: Die Eiligen den Berg hinab Richtung Saalfeld zum IC, die Abenteuerlustigen zunächst mal Richtung Cursdorf. Dort wurde Mittag gegessen, dann war man reif für das Abenteuer: Busfahrt nach Neuhaus, dort Umsteigen an einer sehenswert häßlichen „Zentralhaltestelle", weiter mit Bus nach Lichte.

Von hier sollte es mit Schienenersatzverkehr nach Lauscha weitergehen. Auf diesen gab es an der Haltestelle jedoch keinerlei Hinweis, so daß gewisse Zweifel aufkamen und einzelne Teilnehmer die Wahl dieser Route nun gar nicht mehr so glücklich fanden. Es blieb uns zunächst nur das Prinzip Hoffnung. Aber nach einiger Wartezeit in wenig ansprechendem Ambiente tauchte der Bus wirklich auf, hielt an und ließ uns zusteigen.

Während der Schienenersatzverkehr uns einmal mehr durch Neuhaus chauffierte – ohne Halt, da sich dort kein Personenbahnhof befand – versuchten wir mit Erfolg von der "Zugbegleiterin" Fahrscheine nach München zu erstehen. Am Bahnhof Ernstthal hatte der Bus dann 15 Minuten Begegnungsaufenthalt – schließlich ist die zu ersetzende Bahnstrecke ja eingleisig.

Die Schiene hatte uns wieder: Lauscha – Sonneberg, Sonneberg – Nürnberg mit fast zu knappen Anschluß zu einem fast zu gut besetzten ICE nach München.

Alles in allem für die Beteiligten sicher ein ziemlich „bahnsinniges" Pfingstwochenende in einer sehenswerten Gegend.

Flachstrecke
 
 
  begrünter Bahnsteig
Bahnhof Lauscha

 

 
DB-Streckennetz

 


 
Den Fahrplan der Bergbahn gibt es bei HAFAS.
Das Schöne-Wochenende-Ticket wird nicht anerkannt, dafür aber die Bahncard.
 
Tarif (Stand Mai 1999): ohne Bahncard mit Bahncard
Gesamtstrecke Obstfelderschmiede – Lichtenhain – Cursdorf (einfach) DM 7,60 DM 3,80
Flachstrecke Lichtenhain – Cursdorf (einfach) DM 2,40 DM 1,20
Die Flachstrecke ist im Tarif für die Steilstrecke mit eingeschlossen.


 
Wanderung Lichtenhain – Oberweißbach – Fröbelturm – Cursdorf – Meuselbacher Kuppe – Schwarzmühle bei komoot.de oder bei mapy.cz.

Oberweißbacher Berg- und Schwarzatalbahn im Internet-Angebot der DB AG.

Weitere Internet-Seiten der Oberweißbacher Berg- und Schwarzatalbahn mit vielen Informationen zur Region.

Fotos und Tarif aus 2003 und findet man auf der nächsten Seite.

Bergbahn – 10 Jahre später: ein Bericht zum Pfingstausflug 2009.
 


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Zuletzt geändert am 15.12.2021 / © Edmund Lauterbach – Impressum / Kontakt
Technische Unterstützung beim Einscannen der Fotos: Peter Morath