Außer diesem Reisebericht gibt es noch etwas zum Fahrplan und zu den Kosten der Reise sowie einen Plan der bereisten Bahnstrecken in Schottland und Links zum Thema.
Ein paar Fotos von der Großbritannien-Reise sind seit Januar 2022 auch auf
Instagram zu finden:
Teil 1 –
Teil 2 –
Teil 3
Hier habe ich meine erste Berührung mit Scotrail, der Gesellschaft, die mich durch die ganze nächste Woche begleiten wird. Der Scotrail-Sprinter, ein zweiteiliger Diesel-Triebwagen, der zu längeren Einheiten zusammengekuppelt werden kann, soll mich über einen kleinen Umweg doch noch nach Glasgow bringen. Kurz nachdem wir Carlisle verlassen haben, geht es über die englisch-schottische Grenze. Über Dumfries, Kirconnel und Kilmarnock erreichen wir schließlich Glasgow Central. Glasgow Central ist ein recht eigentümlicher Kopfbahnhof. Nicht wie in London streng getrennt zwischen Wartehalle und Bahnsteighalle sondern eine große Halle mit zweistöckigen Einbauten für Geschäfte und Restaurants. Es gibt auch im engeren Sinne keinen Querbahnsteig, da die Gleise nicht auf einer Höhe enden, sondern entlang einer schräg laufenden Linie. Insgesamt sieht der Bahnhof recht ansprechend aus, allerdings riecht es etwas nach Dieselabgasen. Zu meinem Hotel wären es von hier aus etwa 20 bis 30 Minuten Fußweg bergauf. Aber in der Nähe des Hotels befindet sich eine Bahnstation von Strathclyde Passenger Transport - SPT (Infos auch bei glasgowguide.co.uk). Die quasi als S-Bahn betriebene Strecke, an der dieser Station liegt, führt aber nicht über Glasgow Central, sondern über Glasgow Queen Street, den anderen verbliebenen Fernbahnhof. Die im Tunnel unter Glasgow Central verlaufende S-Bahn-Strecke trifft die bis dahin parallel verlaufende Strecke aus Queen Street jedoch in Partick. Also geht es zuerst sieben Minuten stadtauswärts, dann wieder 5 Minuten stadteinwärts. Mit Verspätung und Umsteigen dauert die Fahrt 26 Minuten, so das es zumindest kein Zeitgewinn ist. Die Station Glasgow Charing Cross liegt zwar nicht weit entfernt vom Hotel, doch auch von hier aus geht es steil bergauf. Die Topographie Glasgows sah auf dem Stadtplan nicht so drastisch aus. Apropos Stadtplan: Obwohl Charing Cross keinen freundlicheren Eindruck macht als S-Bahnhöfe in Deutschland und zum Zeitpunkt meiner Ankunft auch unbesetzt ist, liegen dort Stadtpläne zum Mitnehmen aus. Der Herausgeber dieser Pläne ist Strathclyde Passenger Transport, so daß die für mich wichtigen ÖV-Infomationen eingezeichnet sind und ich mir gerne ein Exemplar mitnehme. Nach Hotelbezug ist dann am Abend Zeit für einen Trip in die City. Da immer noch der erste Geltungstag meines Britrail-Passes ist, benutze ich für Hin- und Rückweg die S-Bahn-Strecke nach Queen Street.
Auf dem Vorplatz des Gourocker Bahnhofs dann ein Knacks: mein Schirm hat den Kampf gegen den Wind verloren und ist kurz über dem Handgriff abgebrochen. Was tun? Gourock sieht nicht sehr vielversprechend aus. Ich frage einen Postboten, der mich zu einer Art Werkzeugladen schickt. Dort kann man mir aber nur soweit helfen, daß man mich auf einen Drogeriemarkt um die Ecke verweist. Und tatsächlich: hier gibt es Schirme; mit 4,99 Pfund bin ich dabei. Na ja, schon wieder eine ungeplante Ausgabe, aber besser als naß werden. Der kaum noch benutzbare alte Schirm fliegt in die nächste Mülltonne. Jetzt aber zum eigentlichen Grund der Fahrt nach Gourock: die Fähre über die Clyde-Mündung. Gleich neben dem Bahnhof liegt der Schalter von Caledonian MacBryne, dem Fährbetreiber. Nachdem ich mich dort erkundige, finde ich den Fähranleger. Was dann kommt, ist ein winziges Schiffchen, in das man vom Landesteg mittels einer Art Leiter hinabsteigt. Da das Wetter mich und die anderen Passagiere in den einzigen geschlossenen Fahrgastraum zwingt, ist das Schiff mit sieben oder acht Personen gut gefüllt. Zunächst fahren wir über die Clyde-Mündung nach Kilcreggan, dann etwas den Strom hinauf nach Helensburgh. Anstatt wie geplant zu Fuß nach Helensburgh Upper, der Station der West-Highland-Line (PDF-Reiseführer, 4,85 MB) zu gehen, entschließe ich mich aufgrund des Wetters, von Helensburgh Central aus nach Dumbarton zu fahren und dort umzusteigen. Trotz oder auch wegen des Regens ist der Zug nach Oban gut gefüllt und ich muß mich mit einem Gangplatz zufrieden geben. Also nutze ich die zweieinhalbstündige Fahrt für einen heißen Tee aus der Minibar und dann für ein Nickerchen. In Oban regnet es immer noch. Direkt am Hafen kommt der Regen fast waagerecht. Trotzdem mache ich erst einen Rundgang durch die Stadt, bevor ich mich zum Aufwärmen in ein Pub zurückziehe. Auf der Rückfahrt nach Glasgow kann ich mir einen besseren Platz sichern und die vom Regen getrübte Aussicht auf Schloßruinen und Lochs genießen. In Crianlarich haben wir etwas Pause, weil hier der Sprinter aus Richtung Fort William an unseren Zug angekuppelt wird. Trotz Regen nutze ich den Aufenthalt für ein Foto. In Glasgow Queen Street angekommen, entschließe ich mich noch
ein paar Reservierungen vorzunehmen. Obwohl die Reservierung per Computer
geschieht, werden die Karten von Hand ausgestellt. Insgesamt geht das deutlich
schneller als bei der DB. Außerdem bekomme ich alle Reservierungen
in Fahrtrichtung (das geht in Großbritannien), am Fenster und mit
Tisch - und es ist kostenlos.
Der Sonntag dient zur Besichtigung der Stadt Glasgow. Zu Fuß laufe ich durch die Innenstadt, informiere mich in der Tourist-Information am George Square, dann hinunter zum Clyde. Den Uferweg entlang nach Osten erreiche ich Glasgow Green, einen weitläufigen Park. Ich schaue mir Barras Market an, eine Mischung aus Flohmarkt, Trödelläden und Wochenmarkt. Dann geht es wieder in die Altstadt - Glasgow Cross und die Glasgower Kathedrale. In der Innenstadt haben viele Läden auch sonntags geöffnet, so auch das St.-Ennoch-Einkaufszentrum. An dessen Stelle stand ursprünglich der dritte Glasgower Fernbahnhof St. Ennoch. Die Fußwege zwischen den existierenden Bahnhöfen und auch zu dem ehemaligen Bahnhof St. Ennoch betragen jeweils nur 400 bis 800 Meter, da die Innenstadt sich ost-westlich erstreckt und nur eine geringe Nord-Süd-Ausdehnung hat. Glasgow ist die einzige britische Stadt außer London mit einer U-Bahn (Infos bei SPT und clyde-valley.com). Diese stammt aus dem letzten Jahrhundert, wurde aber im Stil der 70er-Jahre - mit viel Braun- und Orangetönen - komplett renoviert. "Komplett" hört sich vielleicht nach mehr als es ist: Glasgow hat genau eine U-Bahn-Linie, ein Ring durch die Innenstadt und die westlich anschließenden Stadtteile. Dazu noch eine Warnung: Der letzte Zug, der den kompletten Ring befährt, verkehrt am Sonntag um 17:50 Uhr! Der einzige Fernbahnhof, der von der U-Bahn direkt angefahren wurde, war der nicht mehr existierende St. Ennoch. Queen Street ist inzwischen über Laufbänder angeschlossen, Glasgow Central nur über Fußwege. Daher fahren zwischen den beiden Stationen und dem unglücklicherweise noch außerhalb von Queen Street liegenden Busbahnhof sogenannte Inter-Terminal-Kleinbusse. Doch zurück, bzw. eigentlich hinunter, zur U-Bahn. Alles ist klein: die Züge, die Bahnsteige, die Bahnhöfe insgesamt. Von St. Ennoch fahre ich gegen den Uhrzeigersinn zur Station Kelvinhall. Jetzt befinde ich mich im Universitätsviertel und stolpere prompt in ein Straßenfest mit Live-Musik und allem drum und dran. Aber da ich noch etwas vorhabe, muß ich mich nach einiger Zeit wieder davon losreißen. Mein eigentliches Ziel ist das hier liegende Museumszentrum von Glasgow. Da das alles in eine Parklandschaft eingebettet ist, mache ich vorher noch einen kleinen Spaziergang. Und da der Eintritt zu fast allen Glasgower Museen frei ist, schaue ich auch mal in die Art Gallery und das Transportmuseum hinein. Das Transportmuseum reicht an das Londoner nicht heran, aber bei freiem Eintritt ist man auch weniger kritisch. Immerhin erfährt man ein einiges Interessantes zur U-Bahn. Beispielweise, daß sie ursprünglich von Kabeln gezogen wurde, ähnlich wie die Cable Cars in San Francisco. Von hier aus laufe ich wieder Richtung Clyde, passiere das architektonisch interessante Kongreßzentrum, überquere den Fluß und steige auf der anderen Seite an der Station Klining Park in die U-Bahn. Wieder gegen den Uhrzeigersinn geht es bis St. George's Cross. Diese Station liegt wie Kelvinhall ebenfalls im Bereich des Universitätscampus (ich habe mit Lücken jetzt schon mehr als 360° im U-Bahn-Ring zurückgelegt), allerdings auf der gegenüberliegenden Seite in der Nähe der höhergelegenen Teile des Campus. Hier stehen in einer ringförmigen Struktur interessante Gebäude auf einem Hügel, die Architektur wirkt fast italienisch. Früher wohl nur Universitäts-Colleges und Studentenheime, haben sich, den Haustürschildern nach zu schließen, in diese repräsentativen Adressen inzwischen eine Menge Firmen eingekauft. Nachdem ich auch das Panorama (fotografisch) gewürdigt habe, kann ich von hier aus mein Hotel bequem zu Fuß erreichen. Nach einer kleinen Ruhepause mache ich am Abend noch einmal die City unsicher. Soweit zu Glasgow.
Da ich den Fahrplan studiert habe, weiß ich allerdings, daß in unserer Wartezeit ein anderer Zug Richtung Stirling losgefahren ist. Weil dieser aber an allen Stationen hält und entsprechend länger unterwegs ist, gab es für mich keinen Grund auf diesen Zug zu wechseln. Wenn wir jetzt aber bis Stirling hinter dem langsamen Zug herzuckeln, wird sich unsere Verspätung noch ausweiten. Scotrail ist jedoch flexibel. Schon nach einigen Minuten überholen wir den anderen Sprinter auf freier Strecke und können bis Stirling ein Teil der Verspätung einholen. Der Name Sprinter zeigt seine Berechtigung. In Stirling scheinen alle Schließfächer belegt zu sein und die notwendigen 2 Pfund (da ist wohl der Touristenzuschlag schon mit eingerechnet) in Münzen habe ich auch nicht. Nachfrage am Schalter sorgt aber für das nötige Kleingeld und einen Railtrack-Mitarbeiter, der weitere, nur scheinbar belegte Schließfächer freigeben kann. Vom Gepäck befreit kann es jetzt hoch zum Schloß gehen. Knapp vier Stunden Aufenthalt wollen genutzt werden. Bestes Wetter, sehenswerte Gebäude, schöne Rundumsicht mit Blick in die Highlands. Die 5 Pfund Eintritt für das Schloß sind längst nicht mehr überraschend. Die Bedeutung von Stirling rührt daher, daß sich in vergangenen Jahrhunderten zwischen hier und der Mündung bei Edinburgh keine Brücke über den River Forth befand. So lag hier der Hauptzugang zu den Highlands und war mit einer entsprechenden Festung gut zu überwachen. Die Kanonen von Stirling Castle bewachen den Zugang zu den Highlands Nach Schloßbesichtigung, Rundgang durch die Altstadt und Mittagessen, schaue ich mir auch noch die alte Forth-Brücke an. Danach fahre ich weiter mit der Bahn nach Norden. Noch einmal Umsteigen in Perth (interessanter Zwickel-Bahnhof, leider etwas zerfallen und mit unpassend modernisierter Wartehalle) in den Zug, der mich endgültig in die Highlands bringt. Die Berge werden höher, die Landschaft unwirtlicher und menschenleerer. Das Wetter wechselt im 15-Minuten-Takt. Irgendwann sind an den Berghängen die ersten Schneeflecken zu sehen, obwohl die Gipfel hier nur knapp über 1000 Meter liegen. Dann geht es in Windungen wieder hinab nach Inverness. Inverness ist so etwas wie die inoffizielle Hauptstadt der Highlands und ein Eisenbahnknotenpunkt. Die Pension, in der ich mich einquartiere, ist unmittelbar am Bahnhof. Der erste Rundgang durch die Stadt führt mich zum River Ness. Von hier aus hat man eine schöne Sicht auf die Innenstadt und Inverness Castle. Am Abend wirkt die Stadt etwas verschlafen, aber ich bin ja auch schließlich nicht wegen des Nachtlebens nach Inverness gekommen. Nacht ist sowieso ein relativer Begriff: Es ist der längste Tag im Jahr, ich befinde mich auf skandinavischen Breitengraden und es will eigentlich gar nicht mehr dunkel werden.
Aberdeen ist aufgrund des hauptsächlich verwendeten Baumaterials auch als "Granite City" bekannt. Ich schaue mir die Altstadt und den Hafen an, dann fahre ich weiter. Südlich von Aberdeen wird die Bahnstrecke jetzt wirklich interessant. Der Zug (ein Sprinter - was sonst) fährt unmittelbar entlang der Steilküste zur Nordsee. Sicht und Wetter sind gut, also Gelegenheit zu ein paar Fotos. In Dundee fahren wir am Firth of Tay vorbei ("Firth" heißen in Schottland die Flußmündungen) und man sieht die Eisenbahnbrücke über den Tay. Diese Brücke kam zu zweifelhaftem Ruhm, als sie kurz nach ihrer Eröffnung einstürzte (Tay Bridge Disaster, Der Einsturz der Taybrücke, Tay Bridge and associated lines). Durch dieses Ereignis inspiriert schrieb Theodor Fontane sein Gedicht "Die Brück' am Tay" ("Tand, Tand ist das Gebilde von Menschenhand"). In der englischen Literatur wurde die Brücke ebenfalls in einem Gedicht verewigt, das vor dem Einsturz entstand und danach ergänzt wurde. Zurück zu meiner Reise, die mich nicht über die Tay-Brücke führt, sondern von Dundee weiter nach Perth. Wie auch am Vortag steige ich dort um. Diesmal mit etwas mehr Zeit und ohne Gepäck, also mache ich auch hier einen Rundgang durch die Stadt. Perth ist aber eigentlich nicht als Zwischenziel gedacht, also dehne ich das nicht weiter aus, sondern besteige den gleichen Zug wie auch schon am Tag vorher. Diesmal fahre ich aber nicht direkt bis Inverness, sondern steige in Blair Atholl aus. Hier möchte ich ein wenig Landschaft pur genießen, und genau dafür ist der Ort auch geeignet. Vorbei an einer Wassermühle laufe ich einen Wildbach entlang zum Blair Castle. Die Ausblicke zwingen mich allerdings immer wieder zu Fotohalten. Nach zwei Stunden kommen ich wieder am Bahnhof an, wo das obige Bild entsteht. Es ist von einer der für die schottischen Hochlandstrecken typischen Bahnhofs-Fußgängerbrücken aufgenommen. Den im Bild zu sehenden Sprinter besteige ich dann Richtung Inverness. Obwohl ich die gleiche Strecke bereits montags gefahren bin, kann ich dem Panorama bei veränderter Wetterlage neue Aspekte abgewinnen. Am Abend laufe ich dann in Inverness noch in die höheren Stadtteile und mache ein paar Aufnahmen von Bahnhof, Hafen und der weit sichtbaren Brücke über den Moray Firth.
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Zuletzt geändert am 17.1.2022 /
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