Der Wetterbericht verspricht, daß das eigentlich schon recht gute
Wetter im Laufe der Woche noch besser wird. Also wende ich mich am
Montag erstmal dem Hinterland zu.
Um 9:02 Uhr soll ein Bus nach Aurich fahren. Aber an welcher
Haltestelle fährt er ab? Am Bahnhof hängen sehr
uneinheitliche Fahrpläne verschiedener Linien, was nicht gerade
die Übersicht fördert. Der Bus nach Aurich scheint aber nicht
dabei zu sein. Eine weitere Haltestelle "Bahnhofstraße"
liegt etwa 150 Meter entfernt. An dieser Haltestelle befindet sich eine
ähnliche Fahrplanvielfalt, diesmal aber mit der Linie nach Aurich.
Also warte ich hier.
Als der Bus dann kommt, zeige ich meine Gästekarte, die
sogenannte "Nordsee-ServiceCard" vor und sage "einmal
Aurich". Etwas überraschend winkt der Busfahrer mich einfach
durch. Ich hatte maximal 50 Prozent Rabatt erwartet, war mir diesem
für eine Fahrt nach Aurich allerdings nicht sehr sicher.
Als es dann losgeht, fahren wir natürlich doch noch die
Stichstrecke zum Bahnhof ab. Merkwürdig ist nur, daß in der
Fahrplantabelle, die ich aus dem Internet besorgt hatte, nur
"Esens Bahnhof" als Halt angegeben ist. Da bei einigen
Linien in der Fahrplantabelle nur "Esens Bahnhofstraße"
verzeichnet ist, bei anderen wiederum je nach Fahrt mal diese und mal
jene, ergibt sich ein recht verwirrendes Bild. Vielleicht findet sich
ja jemand, der der Stadt Esens und den verschiedenen Verkehrsbetrieben
einen Haltestellenplan sponsort. Das stände einem Zielbahnhof
für Urlauber gut zu Gesicht.
Der Bus nimmt nicht die gerade Strecke; der Umweg hält sich
aber in Grenzen und ich bekomme einiges an ostfriesischer Landschaft zu
sehen. In Aurich steige ich am Busbahnhof aus, der unmittelbar am
Eingang zur Fußgängerzone liegt.
Marktplatz, Lambertiturm, Schloß, Stiftsmühle –
das sind so die lokalen Sehenswürdigkeiten. Am Hafen lege ich eine
kleine Mittagspause ein. Die Geographiekundigen wissen, daß
Aurich nicht an der Küste liegt. Also handelt es sich um einen
Binnenhafen. Ems und Weser sind zwar weit, aber quer durch Ostfriesland
läuft der Ems-Jade-Kanal. Ich kann feststellen, daß hier
auch wirklich Güterverkehr abgewickelt wird, da gerade ein
Lastkahn entladen wird. Das in Aurich stationierte Passagierschiff ist
an diesem Tag auf einer Tour nach Emden unterwegs.
Kurz nach 13 Uhr finde ich mich wieder am Busbahnhof ein, da
um 13:18 Uhr ein Bus nach Wittmund abfahren soll. Ich sehe einige
Busse und sehr viele Schüler, aber auch um 13:18 Uhr keinen
Bus nach Wittmund. Der kommt dann ein paar Minuten später.
Die Verhältnisse am Auricher Busbahnhof sind zur Abwicklung
des Schülerverkehrs eindeutig zu beengt. Genauer gesagt: es ist
ein bißchen chaotisch. Um in das Chaos ein wenig Ordnung zu
bringen, läßt der Busfahrer alle Schüler eine Reihe
bilden und einzeln einsteigen um die Fahrausweise zu kontrollieren. Das
treibt die Verspätung nochmals ziemlich in die Höhe.
Ich habe zwar auch etwas gegen Schwarzfahrer, wenn aber zahlende
Fahrgäste durch Inkaufnahme von Verspätung präventiv in
Sippenhaft genommen werden, haben meines Erachtens der Busfahrer und
seine Firma ein falsches Verständnis von ihrer Aufgabe. Unterwegs
wird wohl ein wenig Zeit aufgeholt, die Ankunft in Wittmund erfolgt
aber mit zehn Minuten Verspätung.
Endhaltestelle in Wittmund ist am Bahnhof. Der nächste Bus,
den ich nehmen möchte, fährt nicht dort, sondern am Markt ab.
Allerdings erst in einer Stunde und ich möchte mir ja
schließlich auch etwas von Wittmund anschauen. So laufe ich durch
die dortige Fußgängerzone, kaufe mir noch Eis – es ist
inzwischen recht heiß geworden – und werfe einen Blick auf
die idyllisch gelegene Nicolaikirche.
Am Markt angekommen habe ich noch etwas Zeit, und der Bus ist auch
noch nicht zu sehen. An der Bushaltestelle bestätigt der
Abfahrtsplan, daß um 15 Uhr ein Bus nach Harlesiel
fährt. Es kommt dann ein Kleinbus ohne Zielanzeige. Ich frage
den Busfahrer ob er nach Harlesiel fährt, und bekomme
erstaunlicherweise zur Antwort, der Bus fahre heute nicht. Ich
müsse ein Stück mit ihm fahren und dann umsteigen. Immerhin
kann er mir einen Fahrschein direkt bis Harlesiel verkaufen.
Das Umsteigen findet an einer ziemlich häßlichen
Haltestelle an einem außerhalb der Stadt gelegenen Schulzentrum
statt. Da ich dort auch noch einige Minuten warten muß, zeichnet
sich schon eine gewisse Verspätung ab. Es kommt dann ein recht
altes Gefährt, das mich aber nach Aussage des Busfahrers wirklich
nach Harlesiel bringen soll.
Nachdem wir Wittmund endgültig verlassen haben, fällt mir
auf, daß der Bus anscheinend in die falsche Richtung unterwegs
ist. Ich schaue in meine Karte und den Fahrplan und mein Eindruck
verfestigt sich. Ist das hier doch eine ganz andere Linie, die auf
einem Umweg von Wittmund nach Harlesiel fährt? Oder fahren wir
wegen einer Baustelle ohne Ankündigung eine größere
Umleitung?
Doch es kommt anders. Im nächsten größeren Ort
steigen ein paar Leute aus, der Bus wendet und fährt vier bis
fünf Kilometer zu einer Kreuzung am Ortsrand von Wittmund
zurück. Ab hier folgt er dann dem im Fahrplan verzeichneten Weg.
Daß wir mit etwa zwölf Minuten Verspätung in Harlesiel
ankommen, verwundert nach dieser kleinen Odyssee abseits des Fahrplans
nicht mehr.
Harlesiel – ich bin am Meer. Nur leider ist das Meer nicht
da. Soll heißen: es ist Niedrigwasser. Alles was man sieht ist
Watt. Es ist zwar inzwischen eindeutig Badewetter, der Strand eignet
sich aber zur Zeit nur zum Sonnenbaden. Harlesiel hat allerdings ein
Meerwasserfreibad, in das ich mit meiner Gästekarte freien
Eintritt habe. Nach etwas Herumlaufen am Strand entschließe ich
mich, dieser Option zur Erfrischung nachzukommen.
Etwa zwei Kilometer landeinwärts liegt Carolinensiel.
Carolinensiel und Harlesiel sind durch den schiffbaren Teil der Harle
verbunden, so daß auch Carolinensiel, obwohl nicht unmittelbar an
der Küste gelegen, einen Hafen besitzt. Zwischen den beiden Orten
schippert eine Art Raddampfer. Ich mache mich aber zu Fuß auf den
Weg entlang der Harle. Unterwegs komme ich an der Friedrichsschleuse
vorbei. Wenn ein Segelboot oder ein Kutter ein- oder ausläuft,
müssen hier und am Speerwerk Harlesiel jeweils die
Klappbrücken geöffnet werden.
Carolinensiel ist recht pittoresk – Häuser im
ortstypischen Stil scharen sich um einen Hafen, in dem einige Kutter
liegen. Hier herrscht der Tourismus. Das merkt man leider auch am
Verkehr auf der den Ort querenden Küstenstraße. Urlauber,
die ohne Auto reisen, sind wohl deutlich in der Minderheit.
Von Carolinensiel geht ein direkter Bus über Bensersiel nach
Esens. In dieser Buslinie erhalte ich zum ersten Mal 50 Prozent Rabatt
auf meine Gästekarte, auch wenn der Busfahrer ein wenig auf seinem
Fahrscheindrucker herumfingern muß.
In Esens fahre ich nicht bis zum Bahnhof, sondern steige an der
Haltestelle Herdetor in der Nähe des Stadtzentrums aus. Ich habe
Hunger und kehre nach einigen Blicken auf Speisekarten ins Restaurant
"Milieu" ein. Das Einkehren besteht allerdings aufgrund des
schönen Wetters im Platznehmen an einem Tisch auf dem Esenser
Marktplatz vor der Gaststätte. Bei gutem Essen und gutem Bier
denke ich ein wenig darüber nach, daß dem Öffentlichen
Nahverkehr, insbesondere wenn er in Form von Buslinien daherkommt,
manchmal doch noch ein Hauch von Abenteuer anhaftet.
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