Librettogerechter »Hoffmann« mit himmlisch schöner Musik in Berlin







www.deutscheoperberlin.de







Besuchte Vorstellung 1. Dezember 2018 (Premiere)







Regie und Kostüme


Laurent Pelly

Dirigent


Enrique Mazzola

Chorleitung


Jeremy Bines

Bühnenbild


Chantal Thomas

Version


Kaye-Keck

Sprache


Französisch




Hoffmann


Daniel Johansson

Muse


Irene Roberts

Stella, Olympia, Antonia, Giulietta


Cristina Pasarolu

Widersacher


Alex Esposito










Fazit Deutsche Oper Berlin: Eine Wiederaufnahme der für Lausanne 2003 erarbeiteten Inszenierung, die wohl den Intentionen des Komponisten am nächsten von allen bisher auf die Bühne gestellten »Hoffmännern« kommt. Sänger, Orchester und Chor der Deutschen Oper Berlin gehören zum Besten. was die internationale Opernwelt gegenwärtig zu bieten hat und begeisterten das sicherlich nicht unkritische Hauptstadtpublikum. Die Interpretation selbst ist im Vergleich zu anderen eher statisch und nüchtern bis puritanisch. Dunkle, gedeckte Farben und düstere Szenen beherrschen die Oper, und es fehlt der bacchantische Offenbach´sche Esprit. Die Bühne sah weitgehend aus wie eine Barockkirche nach einem Bildersturm. Eine eigene Handschrift des Regisseurs wurde kaum erkennbar. Die Auswahl der Nummern aus dem von Jacques Offenbach hinterlassenen Materialfundus ist beispielhaft und richtungsweisend. Die Zusammenarbeit mit der Presseabteilung war freundlich und problemlos.



Meine Hoffmannie begann vor fast 12 Jahren in Berlin, als ich an der Komischen Oper Thilos Reinhardts brillante Inszenierung sah. In Berlin folgten ein fantasievoller Studio-»Hoffmann« in der Tischlerei der Deutschen Oper und vor drei Jahren Barrie Koskys mitreißende Inszenierung an der Komischen Oper. Nun zog die Deutsche Oper mit einem »Hoffmann« nach, der allerdings schon an mehreren anderen Häusern gespielt wurde: Nach Lausanne in Marseille, Lyon, Barcelona und San Francisco. Ähnlich oft ging nur Joël Brands »Hoffmann« rund ums Mittelmeer auf Reisen, der allerdings mit seinen Bizarrerien nicht zu den seriösen Inszenierungen gezählt werden kann. Ich sah ihn schließlich in der Grieg-Halle in Bergen/Norwegen.


Pellys Inszenierung ist der Favorit unter »Hoffmann« - Puristen, denn bei der lange verworrenen Quellenlage dieser Oper war sie eine der ersten, die sich möglichst eng an die beste verfügbare Rekonstruktion dieser Oper hielten. Nun hat jeder Regisseur seine eigenen Vorstellungen, und die sind sein gutes Recht. Eine opéra fantastique präsentierte uns Pelly nicht, eher eine opéra puritanique, die den Zuschauer nicht wie leider so oft mit werksfremden Illustrationen verwirrte, sondern ihn streng auf die eigentliche Handlung und Botschaft dieser Oper verwies. So gesehen hatte die Deutsche Oper eine gute Wahl getroffen. Viel E.T.A. Hoffmann, Michel Carré, Jules Barbier und Jacques Offenbach, kein Boulevard.


Lindorf verbrennt Stellas Brief an Hoffmann


Ich hatte diese Inszenierung vor fünf Jahren in Barcelona gesehen. Dramaturgie, Bühnenbild und Kostüme entsprachen weitgehend den Vorgängern. Musikalisch allerdings war Berlin eine Klasse besser. Zwar hatten in Barcelona Stars wie Natalie Dessay (Antonia) und ihr Mann Laurent Naouri (Widersacher) gesungen, aber in Berlin waren alle Rollen erstklassig besetzt, und aus dem Orchestergraben ertönte Musik, wie man sie in dieser Qualität nur ganz selten zu hören bekommt. Dazu dirigierte mit Enrique Mazzola ein wahrer Maestro, dessen Einfühlung in Jacques Offenbachs Musik kaum zu überbieten ist. Außerdem sang in Berlin eine junge Sängerin alle drei Sopranrollen.


Das Gebäude der Deutschen Oper wurde im Krieg zerstört und 1961 als Neubau eröffnet. Sie hat 1860 Plätze, von denen alle gute Sicht auf die Bühne haben. Das Theater war voll. Meine Kommunikation mit der Presseabteilung war freundlich und problemlos. Im Orchestergraben zählte ich vier Kontrabässe und fünf Celli. Vor der Premiere fand eine Einführung statt. Das Publikum war altersmäßig gut durchmischt, allerdings nicht so elegant gekleidet, wie ich das in anderen Metropolen erlebte. Nur in der Met war die Garderobe der Besucher buntscheckiger. Da konnte eine Dame in einem sündteuren Designerkleid neben einem Herrn in kariertem Flanellhemd und Cordhose sitzen, die von Hosenträgern gehalten wurde. Für die Beschreibung der Berliner Inszenierung verweise ich auch auf meine Besprechung der Aufführung in Barcelona, die weitgehend mit der in Berlin übereinstimmte.


Freundlich wurde der Gastdirigent begrüßt. Schön maestoso kamen die Auftaktakkorde. Hoffmann lag trunken vorne links. Der Chor mit Hoffmanns Freunden umfasste 30 Männer, die sich in der Garderobe der Oper trafen, in der Don Giovanni gegeben wurde. Sie wurden ausgefeilt choreographiert. Sogleich erfreute mich die differenzierte Orchesterbegleitung. Präzise Töne, variable Tempi, je nach Stimmung auf der Bühne. Für den Kleinzach des Hoffmann gab es den ersten Applaus. Daniel Johansson aus Schweden besitzt eine ideale lyrisch-weiche Stimme für diese Rolle.


Die Muse erklärte Hoffmann ihre Liebe. Die Konfrontation Hoffmann-Lindorf wurde anschaulich dargestellt: Sie saßen sich auf Bänken gegenüber, die aufeinander zu geschoben wurden. Das gegenseitige Anfiesen war jedoch etwas zu lang. Müssen Leonore, Fausta und Gretchen wirklich immer erwähnt werden? Außerdem ist die Musik dazu nicht sooo interessant. Mit 35 Minuten wurde aber der erste Rahmenakt nicht zu lang.


Die schwebende Olympia


Splanzanis Werkstatt betand aus elektrischen Hochspannungsleitungen, aus denen auch Funken sprühten. Die Muse, nun zu Niklaus mutiert warnte Hoffmann vor den Puppe mit den Porzellanaugen. Irene Roberts´ superbe Stimmqualitäten hatte ich schon im Juni 2018 in Amsterdam genießen dürfen. Ein großer dunkler Schatten kündigte Coppelius an, als sein Auftrittsmotiv erklang. Ein unglaublich schnelles Lob auf Olympias Augen erklang. Eine Kunst, diesen vielköpfigen gemischten Chor so präzise singen zu lassen, und völlig im Takt mit dem Orchester. Spalanzanis Party fand eher in einer Werkstatt denn in einem schicken Lokal statt. Spalanzani war eher ein Bastler denn ein Salonlöwe.


Olympia schwebte im Takt mit ihren Tönen auf und ab. Dank raffinierter Beleuchtung sah man nicht wie. Erst später wurde das von drei Männern bediente mechanische Gestell gezeigt. Ansonsten war die Beleuchtung ziemlich eintönig. Souverän absolvierte Olympia ihre Arie. Frenetischer Applaus und Jubel belohnte sie. Nachdem sie vom Gestell gestiegen war, fuhr sie auf einem Spaceroller über die Bühne.



Nach der erstem Pause gab es starken Applaus und Jubel, als der Dirigent wieder erschien. Er hatte sich offensichltich die Herzen eines sachverständigen Publikums im Sturm erobert. Ich darf gleich vorausschicken, dass Applaus und Jubel nach der zweiten Pause noch heftiger waren.


Lyrisch-klagend sang nun Antonia. Ich erwähne das ausdrücklich, weil Sopranistinnen, die alle drei Rollen singen, die Antonia oft zu dramatisch bringen. Nicht so in Berlin. Ganz in Schwarz wirkte Antonia nicht gerade wie ein 20jähriges Mädchen. Naja, dann gab es wieder mal einen Franz, auf den mutige Regisseure verzichten. Und noch dazu sprachen die Übertitel (deutsch und englisch) von der Methode. Das sollte nicht sein. Doch es gab Applaus für einen nicht besonders ausgestalteten, aber schön gesungenen Franz. Getröstet wurde ich mit einer vom Orchester zauberhaft begleiteten Geigenarie. Großer Applaus dafür. Auch die Duette Hoffmann-Antonia wurden beklatscht.



Das großartig gesungene Terzett dürfte in dieser Qualität so schnell nicht wieder zu hören sein. Die singende Mutter wurde in Schwarz-Weiß auf den Hintergrund projiziert, was eine gespenstische Wirkung zeitigte. Doch endlich wieder einmal durften wir unserer Bewunderung für diese gesangliche und orchestrale Leistung und Jacques Offenbachs wohl tiefsinnigste Komposition mit Applaus Ausdruck verleihen. Danke, Maestro Mazzola. Mit ersterbender Stimme starb Antonia inmitten von Notenblättern. Kräftiger Applaus und zweite Pause.




Stella und Hoffmann


Keine Pikkoloflöte kreischte zur Barkarole. Querflöte, Oboe und Klarinette klingen sinnlicher zur Begleitung. Dieser Dirigent machte wirklich alles richtig, und der erneute Jubel bei seinem Erscheinen war voll gerechtfertigt. Bei Giulietta ging es gemessen zu wie bei einer Bibelstunde im Pfarrhaus. Kein Hauch von Erotik war zu spüren. Giulietta in ihrem züchtigen langen schwarzen Kleid war angezogen wie eine protestantische Pastorengemahlin.


Endlich mal wieder ein Giulietta-Akt ohne die dröge Spiegel-Arie. Die Regie hatte die melodiösere der beiden Originalarien Jacques Offenbachs gewählt. Warum hört man die nicht häufiger, sondern fast immer dieses Kuckuckskind des Andreas Bloch? Ausführlich wurde Hoffmanns Verlust seines Spiegelbildes dargestellt. Dazu wurde er vom Chor gnadenlos verhöhnt. Gut wurde Hoffmanns Empörung über Giuliettas Verrat gezeigt. Danach erstach Hoffmann die Kurtisane, doch bedauerte sogleich seine Untat. All das hatte der triumphierende Dapertutto inszeniert.


Stella erschien, auch in Schwarz, doch immerhin in eine Federatola gehüllt. Stella versicherte Hoffmann ihrer Liebe, doch der wies sie zurück. Lindorf bekam die Diva, und er wurde böse von Hoffmann angesungen.


Die Muse kam wieder im weißen Kleid, in dem sie anfangs aufgetreten war. Was für ein seelenvoller Abgesang auf Hoffmann. Beide lagen in inniger Umarmung auf der Bühne.

Alle Rechte an den obigen Szenenfotos liegen bei der Deutschen Oper Berlin und bei der Fotografin .

Bettina Stöß, Kontakt: StoessBetti@gmx.de

Wir danken für die freundliche Zusammenarbeit.


Jubel für den Chor, für alle Solisten, besonders für den Widersacher. Jubel auch für das Orchester und den souveränen Dirigenten. Als das Regieteam auftrat, gab es einige Buhrufe, die sich aber schnell verstummten. Acht Minuten dauerte der hochverdiente Premierenapplaus.



Nach der Premiere lud die Deutsche Oper zur Danksagung an das Ensemble in das Foyer und anschließend in das Theaterrestaurant, in das leider nur wenige der Solisten kamen. Dort entstanden folgende Bilder:







Stella nach ihrem erfolgreichen Rollendebut




Regisseur und Wiederaufnahmeleiter







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