Epilog auf die Saison 2009-2010


Die vergangene Spielzeit begann gleich mit einem Knaller: Tartu ist eine hübsche kleine Universitätsstadt in Estland, knapp 200 km südlich der Hauptstadt Tallinn, nahe der russischen Grenze.

Das Vanemuine-Theater hatte eine Inszenierung des russischen Regisseurs Dmitri Bertman vom Helikon-Theater in Moskau übernommen. Für mich wurde diese Inszenierung zum Maßstab für perfekte Regiearbeit, was das Verständnis dieser Oper angeht. Obwohl die Aufführung samt Pause nur knapp zweieinhalb Stunden dauerte, war alles Wesentliche drin, und das in einer nie zuvor erlebten Dichte.

Für mich war dieser Hoffmann die beste aller ca. 50 Inszenierungen, die ich kenne, was die geistige Durchdringung des Themas angeht. Leider konnte ich sie nur einmal sehen.


Ein weiterer Höhepunkt war der Hoffmann in Breslau, den ich dreimal sah. Der dortige Regisseur präsentierte eine wahrhaft fantastische Oper mit einem überwältigend schönen Bühnenbild, das er selbst gestaltet hatte.


Einen von Christoph Loy inszenierten Hoffmann von hoher Qualität gab es in Düsseldorf zu sehen, allerdings mit einer Reihe eigenwilliger Regieeinfälle, so dass das Fantastische weitgehend verloren ging..


Ein besonderes Erlebnis war natürlich der Besuch in der Met. Dort wurde himmlisch schön musiziert und gesungen. Von der Regie her wurde eher gute Hausmannskost geboten, aber das ist an allen „großen" Bühnen so, die ich bisher besuchte: Staatsoper Wien, Covent Garden und die Met riskieren inszenatorisch nichts, locken aber ihr Publikum mit einzelnen superben Sängern.


Ende Januar sollte ein Hoffmann an einem historischen Ort für die »Contes« stattfinden: In der Oper von Monaco. Neil Shicoff, von der Ausfführungsgeschichte dieser Oper nicht wegzudenken, sollte den Hoffmann singen. Anfang Dezember fragte ich (auf Französisch) bei der Oper nach, ob es eine Einladung für mich gebe. Mitte Januar kam die Absage. Leider nein, und Karten gebe es auch nicht mehr zu kaufen. Das stimmte nicht, denn an der Kasse gab es noch welche, wie ich telefonisch erfuhr. Aber inzwischen waren die Flüge so teuer geworden, dass ich diesen Besuch mit blutendem Herzen strich.

Auch an der Opéra de la Bastille in Paris hatte ich wieder kein Glück. Nach einem Telefonat mit der Presseabteilung sandte ich Links mit meinen Besprechungen in die Hauptstadt der Grande Nation, die sich aber kleinlich zeigte. Keine Anwort an www.offenbach-hoffmann.de Mein Fehler war wohl, dass ich das Telefonat auf Englisch führte. Schon 2002 hatte man mir meine fest bestellte Karte für die damalige Neuproduktion nicht zugesandt.

Da es aber von dieser Inszenierung inzwischen eine DVD mit Neil Shicoff gibt, sah ich mir diese zeitgleich mit der letzten Vorstellung bei Opernfreund Herbert an. Ich werde eine kurze Besprechung dieser ausgezeichneten Inszenierung nachliefern.


Den bemerkenswertesten Hoffmann, von den äußeren Umständen, sah in der Liechtensteiner Hauptsadt Vaduz (5000 Einwohner). Dort gibt es einen Opernverein, der alle zwei Jahre eine Oper herausbringt, und zwar mit Profis in den Hauptrollen und im Orchestergraben, aber mit Amateuren für die kleineren Rollen und für den Chor. Respekt vor dem Spiritus Rector dieser Privatinitiative, Herrn Biedermann.


Die höchste Hoffmann-Dichte bot natürlich Liechtenstein, mit einem Hoffmann pro 35.000 Einwohner. Diese Zahl hätte nur noch von Monaco (32.000 Einwohner) unterboten werden können, aber dort war ich nicht willkommen.

Dann folgte Eestland mit einem Hoffmann auf gut eine Million Einwohner. Darauf folgte Österreich mit einem Hoffmann auf ungefähr fünf Millionen Einwohner.

Auch die Schweiz und die Tschechei mit je einem Hoffmann auf ungefähr 10 Millionen Einwohner sind gut dabei.


Am besten musiziert wurde zweifellos an der Met. Auch der Gesang dort war ganz hervorragend. Einen Ausreißer, was das Orchester angeht, gab es außer bei der Premiere in Prag nirgends. Meine Ohren mussten in der abgelaufenen Saison nicht leiden, wenn auch hie und da die Auftaktakkorde durchgehetzt wurden und das Pikkolo bei der Barkarole kreischte.


Das mit Abstand jüngste Publikum war wiederum in Polen, in Lodz und in Breslau.

Die meisten Frauen in Publikum sah ich in Tartu.


Das schönste Theater hat zweifellos die Goldene Stadt Prag, das noch aus der k.u.k.-Zeit stammt. Auch das Theater in Breslau, vom Architekten des Brandenburger Tors entworfen, gefiel mir sehr gut.


Den besten Hoffmann, auch darstellerisch, hörte ich mit Joseph Calleja an der Met. Auch Sergej Khomov in Düsseldorf und Vittorio Grigolo in Zürich gefielen mir gut.

Hervorragende Olympien hörte ich an der Met und in Breslau, auch in Gießen und in Lodz

Großartige Antonien gab es an der Met mit Anna Netrebko und in Breslau mit Ekaterina Kusnezowa. Auch die Antonia in Lodz gefiel mir gut.

Alle großen Sopranrollen wurden in Baden bei Wien und in Vaduz von jeweils einer einzigen Sopranistin gesungen.

Gute Musen hörte ich in New York, in Prag, in Gießen und in Remscheid.

Den besten Widersacher hörte und sah ich in Zürich.

Das Publikum ging eigentlich überall gut mit. Hervorheben möchte ich Vaduz, Gießen, Breslau, Linz und Tartu. Nur an der Met rasten ganze Reihen im Parkett nicht für die Sänger, sondern noch vor dem Fallen des letzten Vorhangs aus dem Musentempel.

Die meisten Besucher auf meiner Hoffmann-Seite erlebte ich mit 96 am 11. Mai 2010, nachdem Herr Biedermann sein Ensemble per Rundmail alarmiert hatte. Sonst sind es um die zehn pro Tag oder weniger, aber immerhin schon ein paar aus Australien, Neuseeland, Brasilien, USA und Japan.

Wenn ich in der kommenden Saison wieder das Dutzend voll machen kann, komme ich in einem Jahr auf 50 persönlich besuchte Inszenierungen ab April 2007.

Ein Spaßvogel meinte schon mal, ich solle mich beim Guinness-Buch der Rekorde anmelden.