Meisterhafter »Hoffmann« im Elsass

*****



www.operanationaldurhin.eu/de



Besuchte Vorstellung 20. Januar 2025 (Première)






Regie


Lotte de Beer

Dirigent


Pierre Dumoussaud

Bühnenbild


Christof Hetzer

Kostüme


Jorine van Beek

Version


Kaye-Keck

Sprache


Französisch mit deutschen und französischen Übertiteln







Stella

Olympia – Antonia - Giulietta


Lenneke Ruiten

Hoffmann


Attilio Glaser

Niklaus die Muse


Floriane Hasler

Widersacher


Jean-Sébastien Bou

Chorleiter


Hendrik Haas











Unter www.operanationaldurhin.eu/de/spectacles/saison-2425/opera/les-contes-dhoffmann findet man einen Trailer unter der Überschrift Photos & Videos





Eine bebilderte französische Besprechung findet man unter Olyrix – Hoffmann – Strasbourg mit einer Suchmaschine, z.B. www.ecosia.org


Fazit Straßburg: Ein »Hoffmann«, über den man nur in Superlativen urteilen kann. Eine der allerbesten Inszenierungen, die je von dieser Oper gemacht wurden, und zwar in allen Kategorien, die für diese Oper wichtig sind. Die Regisseurin Lotte de Beer aus den Niederlanden beschritt völlig neue Wege, um die Botschaft dieser Oper dem Publikum zu vermitteln: Hoffmann ist ein kreativer und fragiler Mensch, der in der Dichotomie zwischen seiner Fantasiewelt – repäsentiert durch seine Geschichten – und der realen Welt als Dichter lebt und zwischen beiden hin- und herwandelt und in beiden lebt, oder leben muss. Er ist nicht glücklich in dieser Welt und mit seinem Mitmenschen. Diese Charakterisierung durch die Regie überzeugte voll. Lotte de Beer vereinte ihn ihrer Interpretation handwerkliche Bühnenkunst und richtiges Verständnis dieser Oper. Hoffmann wurde durchgehend und konsequent als Dichter portraitiert. Die Kostüme waren fanstasievoll und passend, das Bühnenbild einfach gehalten, um diesen Kontrast zu illustrieren. Musikalisch war alles auf bestem Niveau, grandiose Stimmen in den Haupt- und Nebenrollen, wie sie besser auch nicht an der Met zu hören sind, exzellente und sorgfältig einstudierte Schauspielkunst, ein gut aufgestellter Chor in einem schönen alten Theater mitten in der Stadt. Man kann nur hoffen, dass von dieser genialen Inszenierung eine Aufzeichnung gemacht wird, denn man kann sich kaum vorstellen, dass in absehbarer Zeit wieder ein gleich überzeugender »Hoffmann« auf eine Bühne kommt. Und wichtig vor allem: Dieser »Hoffmann« war auch für einen Erstbesucher dieser Oper gut verständlich. Endlich mal ein erstklassiger »Hoffmann«, der an anderes Spielstätten auf Reisen geht: Zuerst nbach Kolmar und Mühlhausen im Elsass, dann nach Reims, Paris und an die Volksoper in Wien, an der die Regisseurin Lotte de Beer als Intendantin wirkt.



Die Oper Straßburg bildet zusammen mit Kolmar und Mühlhausen ein Gemeinschaftsprojekt mit drei Spielstätten. Das Gebäude in Straßburg wurde 1821 errichtet. Nachdem Napoleon III. aus nichtigem Anlass 1870 Preußen den Krieg erklärt hatte und verlor, wurde auch die Oper von den preußischen Mililtaristen schwer beschädigt und von den neuen preußischen Herren in ihrer heutigen Gestalt errichtet. Im ersten und zweiten Weltkrieg blieb sie erfreulicherweise unbeschädigt.


Der Zuschauerraum ist eher halbkreis- als hufeisenförmig. Über dem leicht ansteigenden Parkett erheben sich vier Ränge. 1100 Zuschauer finden Platz. Es kommt nur ganz selten vor, dass sich in Theatern zu wenige Herrentoiletten gibt, vor denen sich 'Schlangen bilden. Zum ersten Mal erlebte ich das an der Met. Schlangen vor den Damentoiletten finden sich dagegen häufig. Neulich in Riga verirrten sich unter Druck stehende Frauen in die Männertoiletten. Da ist europaweit Aktion erforderlich, oder man sollte die Zuschauer ermahnen, zwei Stunden vorher nichts zu trinken.



Das Theater war voll, und das Publikum war gut durchmischt und besser als in sonstigen französischen Opernhäusern gekleidet, denn in Frankreich ist es wie z.B. an der Met üblich, in normaler Straßenkleidung, wie man eben von der Arbeit kommt, in die Oper zu gehen. Im Orchestergraben zählte ich drei Kontrabässe und vier Celli. Bemerkenswert und erschreckend war, dass am Eingang Taschen inspiziert und die Besucher mit magnetischen Sonden auf Waffen untersucht werden mussten. Da scheint es Vorfälle gegeben zu haben. Ich hatte schon vor Jahren einen Zeitungsartikel gelesen, dass die Kriminalität im nun französischen und multikulturellen Elsass bedenklich hoch sei. Oh je. Dabei ist Oper doch eine höchst friedliche Art der Unterhaltung, ganz anders als im Fußball. Nur auf der Bühne gibt es manchmal Mord und Totschlag, sogar in den Contes d´Hoffmann des Pazifisten Jacques Offenbach.



Pünktlich um 20:00 erhob Maître Dumoussaud seinen Taktstock und sorgte gleich für Freude: schön maestoso erklangen die Auftaktakkorde. Auf der Bühne befanden wir uns im Gastraum einer einfachen Taverne, eher in einer Gastwirtschaft. Die war perspektivisch gestaltet. Der Chor sang das Gluck-gluck unten im Orchestergraben unterhalb der Proszeniumlogen. Die Muse trug einen silbrigen Mantel und erfreute sogleich mit einer gelungenen Vorstellung ihrer Rolle. Sie sprach auch gleich über Hoffmann, der meinte, Stella sei in ihn verliebt. Es sei ihre Aufgabe, Hoffmann weg von Stella zu locken und wieder zum Schreiben zu veranlassen. Deswegen verbünde sie sich mit Lindorf, der auch auf Stella scharf ist. Hoffmann meine, vom Teufel verfolgt zu werden. Und so wies sie dem Lindorf drei Rollen zu. Damit war die Rolle der Muse als einer Art Regisseurin zugeteilt, und sie flüsterte gleich dem Lindorf zu, was er zu tun habe..



Hoffmanns Freunde waren bürgerlich-leger gekleidet wie auch Hoffmann selbst. Hoffmann sang den Klein-Zaches auf dem Tisch und erfreute sogleich mit einem lyrisch-strahlenden Tenor. Als er zu Stella überging, erschien die Angebetete als eine Art Madame Pompadour. Das Orchester begleitete den Klein-Zaches akzentuiert. Für diesen gut inszenierten und blendend gesungenen Auftritt des Hoffmann gab es unerklärlicherweise nur verhaltenen Applaus. Auch danach geizte das Publikum für die perfekte Gesangs- und Orchesterkunst mit Applaus. Gut und nicht zu lange wurde die Opposition Hoffmann – Lindorf dargestellt, 30 Minuten dauerte die Einführung in die Handlung, gerade richtig. .


Zum Olympia-Akt legte die Muse den silbrigen Mantel ab und wurde so zu Niklaus. Hoffmann und die Muse standen alleine vorne an der Bühnenkante und spekulierten über die Rolle der Physik. Hinter ihnen hatte sich eins schwarzer Vorhang abgesenkt und deckte die dahinterliegende Bühne zu. Beide vermittelten dem Publikum eine Zusammenfassung der Geschichte der Olympia. Das war eine hervorragende Idee der Regie und Dramaturgie, denn so wurde das hochverehrte Publikum mit wenigen Worten und Gesten in das sich nun entwickelnde Geschehen eingeführt. Hoffmann, der Autor, wurde dann mit ein paar Schritten zum Darsteller seiner eigenen Erzählungen.


An genau diesem Vorhaben war die Regisseurin der Contes in Salzburg gescheitert. Sie hatte eine ähnliche Absicht gehabt, sich aber mit ihrer komplizierten Konstruktion des Hoffmann als Filmregisseur, Darsteller und Akteur seiner eigenen Geschichten verheddert. Lotte de Beer hatte mit einfachen Mitteln und anschaulich diese Absicht verwirklicht: Alle Literatur ist im weiteren Sinne autobiographisch. Literatur, wenn sie authentisch ist, entspringt der Erlebniswelt des Autors. (Diese Erkenntnis kam mir während eines Seminars, und ich gab sie an alle meine Schüler weiter.)



Der schwarze Bühnenteiler hob sich und gab die Bühne frei für den Olympia-Akt, und Hoffmann und die Muse wurden zu Akteuren der Contes. Die Muse begann lebhaft mit der vogel- oder Gockelarie „cocorico...“, doch keine Hand rührte sich zum Applaus. Coppelius erschien im Pelzmantel als androgyner Edelhausierer. Hoffmann warf den aufdringlichen Coppelius hinaus, doch der kam gleich zur nächsten Tür wieder herein. Coppelius brachte eine kleine Puppe mit, die Hoffmann sofort anbetete, denn er hatte schon die Zauberbrille erhalten. Für das Terzett „trois ducats“ hatte es den verdienten Applaus gegeben. Eine riesige Puppe von fünf oder mehr Metern Höhe erschien, die ihren Kopf drehen und die Augen öffnen und schließen konnte. Momenbt mal, die kam mir doch bekannt vor. Genau: Eine sehr ähnliche Puppe hatte ich beim Freiluft-Hoffmann in Pafos gesehen. Soso. War da jemand aus Straßburg in Pafos gewesen?



Hatte die Regie so eine riesige Puppe gewählt, um deren umwerfende Wirkung auf Hoffman zu symbolisieren? Flott kam das Lob auf Olympias Augen. Und dann kam als dritte Inkarnation der Figur Olympia die reale Sängerin herein. Als sie mit ihrer Arie anhob, begann die große Puppe sogar die Lippen zu bewegen, und Hoffmann saß hingerissen zwischen ihren Beinen. Olympia flirtete den Hoffmann an, und auch die Muse und Olympia tanzten zusammen zur Arie. Das zurückhaltende Publikum spendete zu wenig Applaus für diese blendende Koloratur. Und Hoffmann tanzte dazu mit der kleinen Puppe in der Hand.


Dann nahm Olympia dem Hoffmann die Brille weg und entzauberte sich sozusagen selbst. Hoffmann zerbrach an seiner eigenen Fantasie. Und dann kam Coppelius und zerstörte die Puppe, allerdings die kleine, nicht die große oder gar die Sopranistin. Hoffmann wurde schadenfreudig verlacht.



Wieder senkte sich der schwarze Vorhang, und Hoffmann und Niklaus diskutieren über Hoffmanns phantasmagorischen Realismus. Das sei eben sein Stil, rechtfertigte er sich. Hoffmann entwarf zusammen mit Niklaus die folgende Episode mit Antonia.


Wunderschön lyrisch und anrührend erklang nun der Sopran der Antonia. Franz durfte seine Späßchen machen, bekam aber keine besonders eigenständige dramaturgische Funktion zugewiesen. Ohne ihn wäre der Akt konsistenter gewesen, meine einzige (milde) Kritik an dieser hervorragenden Inszenierung. Franz sang die Antonia an. Hm. Er bekam kurzen Applaus. Und dann wurden wir wieder aus der Handlung herausgeholt, als Niklaus den Hoffmann fragte: Warum schreibst du so eine Geschichte in diese Erzählung? Die Antwort des Hoffmann: Die Leute wollen so etwas Unberschwertes. Mag sein, aber nicht in diesem tragischen Akt, in dem der Fanz nur stört.


Besser wurde es, als die Muse hochdramatisch die Geigenarie sang. Mein Dank an Regie und Sängerin, denn diese Arie wird immer mal wieder gestrichen. Applaus dafür. Rührende Liebesduette Hoffmann – Antonia folgten. Antonia führte ihrem Verlobten schon mal vorsorglich ihren kommenden Ehealltag vor, indem sie Hausfrauenpflichten andeutete. Ein Kaffeeservice wurde aufgetischt. Dazu frech die Muse: So ein Alltag muss schief gehen. Ich kenne deinen Erzählstil. Deine Geschichten sind kitschig. Warum brauchst du nur einen Teufel? [Ich ergänzte im Geiste: Die Hölle im Ehealltag stellt sich doch von selbst ein.]



Vater Krespel kam herein, ertappte empört Hoffmann und Antonia zusammen und warf den Hoffmann hinaus. Antonia wusste offensichtlich noch nicht, warum sie nicht singen sollte. Dann diskutierten Niklaus und Hoffmann wieder über Schreibstil und Handlung von Hoffmanns Geschichten.



Gut bildlich dargestellt erschien Mirakel wie ein Geist aus einem Bilderrahmen und malte der Antonia ihre glänzende Karriere aus, einen Blumenstrauß in der Hand haltend. Antonia erwies sich unbeeindruckt und betonte, das Glück mit Hoffmann sei ihr wichtiger als die Karriere. Doch Mirakel zeigte sich als penetranter Verführer und packte das Kaffeeservice = Ehe ein Der Wind wehte Notenblätter herein, mit denen Mirakel Antonia umstimmen wollte. Das war beeindruckende und überzeugende Bildsprache. Dann verschwand Mirakel zusammen mit Antonia im Bilderrahmen, aus dem er gekommen war in die Welt des Opern-Showbiz. Ein beeindruckendes Terzett erklang, aber die beschworene Mutter erschien nicht.


Als Vater Krespel wieder erschien, war Antonia schon nicht mehr in dieser Welt. Mirakel hatte sie ver- und entführt. Krespel beschuldigte mit Hoffmann den Falschen. Es war die Verführbarkeit der 20jährigen Antonia, und die Bösartigkeit des Mirakel, der die uns Menschen angeborene Sucht nach gesellschaftlicher Wahrnehmung und Aufmerksamkeit symbolisierte. Applaus für diesen anschaulichen und überzeugend inszenierten Akt und Pause.



Zu Beginn des Giulietta-Akltes tadelte die Muse/Niklaus ihren Schützling: Merkst du denn nicht, dass du in deinen Geschichten immer das gleiche Muster produzierst? Hoffmann: Ich verliere immer. Ich brauche keine Frau mehr. Niklaus: Du hast dazugelernt. Hoffmann erblickte sich lebensgroß in einem Spiegel. Hinter ihm erschienen zahlreiche Klone, alle identisch gekleidet. (Sollte das bedeuten: Männer sind sich alle gleich?)



Giulietta erschien aufgetakelt wie ein Zirkuspferd und trug eine sexy rosa Corsage. Erfreulicherweise erklang dann eine der beiden Originalarien Jacques Offenbachs, und zwar die Staccato-Version, die nur ganz selten gewählt wird. Leider haben sich viele Freunde dieser Oper so an die meist gesungene werksfremde Spiegelarie des Andreas Bloch gewöhnt. Dann folgte schon das Messerduell mit Schlemihl. Hoffmann: Diese Frau wird dein Untergang sein. Solche Vamps gibt es im wirklichen Leben tatsächlich.



Nilaus/Muse zu Hoffmann: Deine Geschichte wird immer absurder. Um Hoffmann klar zu machen, worauf er sich einlässt, soll Giulietta einen Gangbang mit vielen Männern veranstalten. Gewaltige Chorszenen folgten. Der Chor sang eindringlich: Hoffmann hat kein Spiegelbild. Giulietta zu Hoffmann: Ich habe dich besiegt, aber ich lasse dich leben. Also sprach die Domina, die Traumrolle vieler Frauen.



Ein großer Henkerknoten wurde hereingebracht und dem Hoffmann um den Hals gelegt. Der Akt wurde nun turbulent. Hoffmann drohte Giulietta und tötete ihr Schoßhündchen Pitichinaccio. Und Niklaus/Muse beschimpfte Hoffmann: Was hast du angestellt? Kaputte Puppe, tote Sängerin, durchgeknallte Kurtisane, zwei tote Liebhaber derselben. Was für eine Bilanz eines Lebens.



Niklaus wurde wieder zur Muse, indem sie sich zum melancholischen Hörnerchorr den silbrigen Mantel anzog. Der à cappella-Männerchor erklang, und Lindorf und Stella erschienen zusammen. Die noch wie Madame Pompadour gestylte Stella entzauberte sich selbst, indem sie die Perücke abnahm, ihre aufwändige Robe auszog und dann nur mehr in ernüchterndem T-Shirt und Hose dastand. Sieh – ich bin eine ganz normale Frau; vergiss deine Projektionen und Männerphantasien. Stella und Lindorf umarmten sich. Hoffmann: Das wird böse enden. Lnidorf und Stella gingen, während Hoffmann den Rest des Klein-Zaches sang.



Die Muse hielt Hoffmann den Spiegel vor: Es gibt keine Frau, die dieser [von dir erträumten] Rolle entspricht. Die zwei (oder mehr) Seelen in Hoffmanns Brust wurden durch sein Double dargestellt. Beide ringen miteinander, versöhnen sich aber wieder. Und dann fängt Hoffmann an zu schreiben. Er war wieder seiner Rolle als Dichter zugeführt worden. Eine Versöhnung Hoffmann – Muse nahm ich aber nicht wahr. Und die Oper war aus. Anschwellender Applaus des bisher zurückhaltenden Publikums, das nun endlich den verdienten Applaus für diese großartige Inszenierung lund musikalische Leistung lieferte. Aber nur einzelne Zuschauer spendeten Applaus im Stehen. Das Gros des Theaters blieb höflich sitzen. Schade. Wenn eine Inszenierung stehenden Applaus verdient hätte, dann diese. Und dann setzte sich die bislang ungenützte Drehbühne in Gang und zeigte die Techniker und Bühnenarbeiter. Nette Idee.



Neun Minuten dauerte der Premierenapplaus, und er hätte locker die zehn Minuten überschreiten können, wäre er nicht von einem gnadenlosen Vorhang abgewürgt worden.



Nach der Premiere fand eine bemerkenserte Premierenfeier statt. Keine einzige Rede eines Intendanten oder Operndirektors. Beispielhaft. Kleine Häppchen wurden gereicht, und ein großartiger Elsässer Riesling eines Kellers namens Kuehne, dessen Kontaktdaten ich leider versäumte zu notieren. Falls ihn jemand kennt, bitte an mich senden: hoffmann_operamail//at//fastmail.com Statt //at// bitte ein @



Nachbemerkung zur Regisseurin:

Lotte de Beer geht der Ruf voraus, gerne mal feministische Elemente in ihre Inszenierungen einzubauen. Damit wäre sie nicht die erste, die das mit einem »Hoffmann« getan hätte. 2014 ließ Bettina Lell in Porzheim librettowidrig den Hoffmann sterben, weil er sich immer die verkehrten Frauen auswählte. Ganz penetrant schob Claudia Bauer 2022 in Kassel feministische Slogans in ihre Produktion ein. (Nur hatte sie vergessen, die in den Übertiteln zu verankern, denn man verstand akustisch kein Wort, und ihre Botschaft verlor sich im feministischen Vakuum.)



Lotte de Beer hingegen streute ihre feministischen Botschaften dezent und nicht unverständlich in ihr Libretto ein. Und sie machte die Muse zur eigentlichen Regisseurin auf der Bühne. Dagegen ist nichts zu sagen. Was will sie uns damit vermitteln? Der sensible Intellektuelle und Träumer Hoffmann entspricht nun gar nicht dem männlichen Idealbild der modernen emanzipierten Frau. Der Softie ist schon lange out und fristete nur während der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts ein kurzes Dasein. Heute ist ein gestandenes Mannsbild, gerne auch ein Macho mit Muskeln, Geld und Macht für das Gros der Frauen trotz allen Emanzipationsbemühungen immer noch das gewünschte Rollenbild. Sensible und kreative Träumer kommen nur bei wenigen Frauen an. Also muss diese Straßburger Version eines Hoffmann als das vorgeführt werden, was er sein soll: Ein Verlierertyp, modern ein Loser. Und vom Schreiben alleine kann kaum einer sein Dasein fristen oder eine Familie ernähren. Und wir alle wissen schon längst: Frauen und Männer kommen doch eigentlich ganz gut miteinander aus, solange keine Liebe und kein Sex in´s Spiel kommt. Dann hört nämlich der Spaß bald auf.



Auf der Premierenfeier gratulierte ich der Regisseurin zu ihrer Arbeit und sagte ihr, dass ich ihren »Hoffmann« zu der guten Handvoll der allerbesten zähle unter den 140, die ich bisher gesehen habe. Sie fragte, welche die anderen seien:

Bitteschön: Komische Oper (Thilo Reinhardt 2007 und Barrie Kosky 2015), Bern (Johannes Erath), Warschau (Harry Kupfer), Tartu (Dmitri Bertman), Osnabrück (Lorenzo Fioroni), Mannheim (Christof Nel), Oslo (Calixto Bieito), Amsterdam (Tobias Kratzer) und Erfurt (Kovalik Balazs). Daneben gibt es natürlich noch zahlreiche andere gute, aber leider auch ein paar total missglückte. Nota bene: diese Einschätzung ist meine persönliche Ansicht. Siehe auch mein Pantheon.




Die Muse



Die Regisseurin



Stella und Hoffmann










Startseite o weiter nach Bielefeld