Mein persönliches Pantheon der besten Regieleistungen




Da ich immer wieder gefragt werde, welcher »Hoffmann« denn der beste gewesen sei, möchte ich hier eine differenzierte persönliche Antwort geben. Selbstverständlich gibt es nicht »den besten Hoffmann«. Erstens wäre das eine subjektive Einschätzung, zweitens gibt es innerhalb einer Inszenierung gelungene Einzelleistungen und Aspekte, während andere wieder weniger gelungen sind. Da die Tagesform der Sänger und Musiker stark variiert und auch die Besetzung mit Sängern nicht immer die gleiche ist, berücksichtige ich hier nur die Regierarbeit und Interpretation in chronologischer Reihenfolge, wie ich sie sah..Es gab viele gute Inszenierungen, einige misslungene und eine Handvoll miserable. Im Rückblick bringe ich drei Hände voll überragender Regieleistungen zur Kenntnis.

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Regiearbeit


2007: Die Inszenierung Thilo Reinhardts an der Komischen Oper Berlin. Dort gelang eine der wenigen in unsere Zeit versetzten Inszenierungen dieser Oper. Thilo Reinhardt hat mit seiner Inszenierung die Zeitlosigkeit dieses Opernstoffes belegt.

2008: Harry Kupfers monumentale Inszenierung, die vom Großen Theater Warschau übernommen wurde.

2008; Die Inszenierung von Johannes Erath am Stadttheater Bern. Die intensive Darstellung und die Ausschmückung mit unter die Haut gehenden Szenen berührten mich ungemein.

2009; Die Inszenierung von Dmitri Bertman (Helikon-Theater Moskau), die ich in einer Übernahme in Tartu / Eestland sah. Die szenische und psychologische Umsetzung der Botschaft dieser Oper war perfekt gelungen.

2010: Die Inszenierung Christof Nels am Nationaltheater Mannheim. Sie bot einen überzeugend charakterisierten Protagonisten und erfreute durch die völlige Abwesenheit von aufgesetzten und werksfemden Showeffekten: Hoffmann wurde als Opfer einer feindlichen Umwelt gezeichnet..

2011: Die Inszenierung von Lorenzo Fioroni am Theater Osnabrück. Sie bietet eine Reihe überraschender neuer Ideen, die aber dem Geist des Librettos nicht widersprechen, z.B. die Interpretation der Rolle des Franz. Der Schluss der Oper ließ einen sprachlos. Man wagte kaum zu appaludieren.

2013: Die Inszenierung von Jakop Ahlbom in der Tischlerei der Deutschen Oper Berlin, die sich durch intensive Darstellungskunst und tiefes Verständnis für die Tragik Hoffmanns auszeichnete.

2013: Die Inszenierung von Calixto Bieito am Nationalltheater Oslo für ihre intensive Umsetzung menschlicher Gefühlszustände in Bilder und physische Situationen.

2014; Elmar Goerdens mutige Umsetzung dieser Oper in unsere Zeit am Theater Basel mit vielen werkskonformen neuen Einfällen.

2015: Ein Geniestreich gelang Sebastioan Welker an der Jungen Oper Hannover. Man integrierte die wesentlichen Personen und Arien dieser Oper in das Muster von Deutschland sucht den Superstar. Packend realistisch, was unseren im Niedergang befindlichen Kulturbetrieb angeht.

2015: Stefan Herheim stellte bei den Bregenzer Festspielen die Identitätsaprobleme des Hoffmann in den Vordergrund. Das Gute im Künstler Hoffmann siegt am Schluss, sein niedrigeres Ich stirbt ab.

2015: Barry Koskys Neuinszenierung an der Komischen Oper faszinierte vom ersten Augenblick an in allen Kategorien. Wie in Bern und Oslo liefen einem kalte Schauer über den Rücken.

2017; Thilo Reinhardt inszenierte innerhalb von 10 Jahren einen zweiten Hoffmann in Trier, der nicht die geringste Ähnlichkeit mit seinem ersten an der Komischen Oper hatte. Phantasievolle Bilder vermischten sich mit schonungsloser Realität.

2018: Die Inszenierung Tobias Kratzers am Nationalltheater Amsterdam. Unglaublich straff und konsistent setzte er sein Thema um: die schwierige Beziehung zwischen Hoffmann und seiner Muse.

2018: Die Premiere in Gera missglückte teilweise, weil der Sänger des Hoffmann heiser war, aber mit verhaltener Stimme die Premiere rettete. Von Anfang führte Regisseur Kay Kuntze die Besucher schon im Foyer in die Handlung der Oper heran. Einige Ideen, z.B. die Engelsfigur auf dem First des Hauses zum Vorbild für die Muse zu nehmen, mussten einen für diese Inszenierung einnehmen. Eine berückend schöne Stella blieb leider stumm.

2019; In Hagen drehte Intendant und Regisseur Francis Hüsers den Spieß um. Olympia, Antonia und Giulietta sind keine Ausgeburten einer Männerphantasie, sondern Hoffmann ist ein Geschöpf seiner eigenen Frauengestalten.

2022: Kovalik Balázs´ Hoffmann in Erfurt ist mein persönlicher Favorit unter den Besten. Leider wurde diese avantgardistische Inszenierung von der Pandemie beeinträchtigt und kaum wahrgenommen. Kovalik ließ Hoffmann von der Stasi verfolgt werden und verlegte den Olympia-Akt an den Hof der Nazi-Elite, mit einem Großen Diktator. Spannend von Anfang bis Ende.



Nota bene: Keine einzige dieser ausgezeichneten Inszenierungen wurde je von einem Fernsehsender übertragen. In diesem Medium werden üblicherweise konventionelle und oft weitgehend missglückte Inszenierungen an bekannten Häusern gezeigt, in denen Weltstars auftreten.

Ich hatte mehrere Fernsehsender angeschrieben und auf hervorragende Interpretationen dieser Oper hingewiesen. Reaktionen erfolgten nicht.

In den Redaktionen der wenigen Sender, die noch Opern übertragen (Arte und 3sat) herrscht weitgehende Unkenntnis, was diese und andere Opern angeht. Die Ansagen und Einführungen strotzen häufig von lächerlicher Ignoranz, oft unterhalb von Wikipedia-Niveau. Und wir finanzieren diese Banalitäten mit unseren Zwangsgebühren, 2013 von Kanzlerin Merkel oktroyiert.










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